Kommentierte Spiele
Deutsche Schachgeschichte (XIII): Pfleger
Kellerdrache - 31. Mär '18
Macht man eine Liste von Leuten die den größten Einfluß auf das Schach in Deutschland hatten gehört Dr. Helmut Pfleger mit Sicherheit dazu. Das er bis Mitte der 80er Jahre zu den besten Spielern Deutschlands gehörte wissen dabei vermutlich die wenigsten.
Pfleger ist für das deutsche Schachpublikum vor allem der große Erzähler, auch der große Vereinfacher. Er präsentierte Spitzenschach auf eine Weise, die es auch den wenig talentierten verständlich machte. So gesehen ist er Vorvater von Vabanque und mir, die wir hier dasselbe in bescheidenerem Rahmen versuchen.
Bevor er Schach ins Fernsehen brachte hatte er im Schulfernsehen durch Sendungen zu Biologie und Chemie bereits TV-Erfahrung gesammelt. Wie Unzicker und Schmid war auch Pfleger kein Vollprofi sondern praktizierte als Internist und Psychotherapeut.
Am Brett bevorzugte er einen aktiven, positionellen Stil obwohl er auch taktisch nicht ganz unbeleckt war. Wer sich die Pirc-Verteidigung und die Englische Eröffnung ausgesucht hat findet in seinen Partien reichlich Material zum Studium.
Das folgende Beispiel zeigt wie Pfleger eine Partie, die er über viele Züge mit positioneller Übersicht geführt hat, durch ein Qualitätsopfer und einen überzeugenden Königsangriff gewinnt.































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Pfleger ist für das deutsche Schachpublikum vor allem der große Erzähler, auch der große Vereinfacher. Er präsentierte Spitzenschach auf eine Weise, die es auch den wenig talentierten verständlich machte. So gesehen ist er Vorvater von Vabanque und mir, die wir hier dasselbe in bescheidenerem Rahmen versuchen.
Bevor er Schach ins Fernsehen brachte hatte er im Schulfernsehen durch Sendungen zu Biologie und Chemie bereits TV-Erfahrung gesammelt. Wie Unzicker und Schmid war auch Pfleger kein Vollprofi sondern praktizierte als Internist und Psychotherapeut.
Am Brett bevorzugte er einen aktiven, positionellen Stil obwohl er auch taktisch nicht ganz unbeleckt war. Wer sich die Pirc-Verteidigung und die Englische Eröffnung ausgesucht hat findet in seinen Partien reichlich Material zum Studium.
Das folgende Beispiel zeigt wie Pfleger eine Partie, die er über viele Züge mit positioneller Übersicht geführt hat, durch ein Qualitätsopfer und einen überzeugenden Königsangriff gewinnt.
Lev Polugaevsky Helmut Pfleger Olympiad | Buenos Aires ARG | 9 | 1978.11.?? | D34 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. c4 Sf6 2. Sf3 e6 3. g3 d5 4. Lg2 c5 5. xd5 xd5 6. d4 die beiden Kontrahenten haben eine Abart der Tarrasch-Variante des Damengambits aufs Brett gebracht. Lev Polugaevsky galt zu seiner Zeit als lebende Eröffnungsbibliothek. Von daher war es sicher weise von Pfleger keine der populärsten Hauptvarianten zu wählen. Sc6 7. O-O Le7 8. Sc3 O-O 9. Lg5 das weiße Spiel richtet sich gegen d5. Nach Schlagen auf c5 und Abtausch auf f6 fiele der Bauer auf d5. c4 Löst das Problem radikal. Jetzt muss der Le7 sich nicht mehr um den Sf6 und den Bauern auf c5 kümmern. Der nun zurückhängende Bauer d5 bietet jedoch einen bequemen Angriffspunkt den Weiß mit der Öffnung der Diagonalen h1-a8 sofort ins Auge fasst 10. Se5 Le6 11. Sxc6 den gut platzierten Se5 so ohne Not gleich abzutauschen sieht nicht optimal aus xc6 12. b3 Weiß stellt eine kniffelige Frage. Tauscht Schwarz auf b3 öffnet er damit auch die c-Linie und erlaubt Angriffe auf den zurückhängenden c6. Tauschen lassen ist aber ebenfalls nicht gut, da nach 13.bxc4 dxc4 14. Lxc6 möglich wäre Da5 Kümmert sich erst einmal nicht um das vorhin beschriebene Problem und greift eine der ungedeckten Leichtfiguren an. So überführt Pfleger seine Dame mit Tempo an den Ort des Geschehens 13. Sa4 Springer am Rand, Sieg in der Hand ? Oder so ähnlich. Das Pferdchen macht keinen besonders glücklichen Eindruck, doch wenigstens ist es hier gedeckt und richtet sich gegen c5 Tfd8 Schwarz möchte gerne c5 spielen. Ohne diesen Turmzug wäre der d-Bauer nach dem folgenden Abtausch auf der c-Linie und dem Entfernen einer Deckungsfigur durch Lxf6 nicht mehr ausreichend gedeckt 14. e3 c5 der thematische Zug. Die Doppelbelastung des Le7 als Wächter von c5 und f6 kann Weiß sich aber zunutze machen 15. Lxf6 xf6 erzwungen, da nach Lxf6 der c5 fällt 16. xc5 Lxc5 17. Dh5 Die Dame startet von hier weniger einen Königsangriff als eine Belagerung des d-Bauern. Von d1 wird sich bald einer der beiden Türme beteiligen Tac8 Zeit den Turm aus der langen Diagonalen zu entfernen 18. Tfd1 Lf8 durch den Rückzug des Läufers deckt die schwarze Dame jetzt seitwärts 19. Tac1 Alle Schwerfiguren stehen sich gegenüber. Jede Öffnung der Stellung muss genau kalkuliert werden. Die Öffnung der c-Linie z.B. führt nach dem Abtausch auf c8 zur Ablenkung einer der Deckungsfiguren von d5 Db4 Pfleger findet eine einfallsreiche Lösung, die seine Figuren befreit. Anstatt sich mit der mühseligen Verteidigung des d5 zu befassen gibt er ihn freiwillig auf und greift seinerseits den b3 an 20. Lxd5 Txd5 Auch hier haben wir wieder das Motiv des vielbeschäftigten Läufers. Der Le6 ist für die Deckung beider Türme verantwortlich 21. Txd5 Nimmt der Le6 jetzt auf d5 ist der Tc8 ungedeckt und das geplante Schlagen auf b3 würde Schwarz den Turm kosten. Nimmt er aber nicht hat er ganz simpel eine Qualität verloren. War Pflegers Plan mit Db4 usw. also eine Schnapsidee ? xb3 22. Txc8 Lxc8 23. xb3 Lg4 Die Pointe. Die weiße Grundreihe ist in Folge der Metzelei im Zentrum ungedeckt verblieben. Der Läuferzug vertreibt die Dame von der Diagonale über die sie sich an der Verteidigung hätte beteiligen können 24. Dh4 De1+ 25. Kg2 Le2 droht Df1 matt. Weiß benötigt ein Fluchtfeld 26. g4 Df1+ 27. Kg3 Dg1+ Der König wird ins Zentrum getrieben, Kh3 führt ja nach Lf1+ zum matt 28. Kf4 Dg2 Na gut, der König ist draußen. Der Turm angegriffen, aber er kann ja einfach wegziehen, oder nicht ? 29. Dxf6 Dxf2+ 30. Ke5 Dxe3+ 31. Kf5 Df3+ 32. Ke5 De3+ 33. Kf5 Ld3+ 34. Txd3 Dxd3+ Schwarz hat seine Qualität zurück 35. Kg5 Ke5 kostet nach 35...Lg7 ja die Dame De3+ 36. Kh5 Le7 Es drohen Dh3 und Dg5, jeweils mit matt. Weiß kann nicht beide Drohungen decken
Vabanque - 01. Apr '18
Eine von Pfleger kraftvoll, lehrreich und unterhaltsam gespielte Partie!
Und gleichzeitig eine glanzvolle taktische Rechtfertigung der strategisch etwas fragwürdigen Tarrasch-Verteidigung.
Das mit 19... Db4 vorbereitete Qualitätsopfer auf d5 ist in der Tat sehr schön und zeigt die Überlegenheit von zwei Läufern über Turm und Springer in dieser Stellung (zumal ja der weiße Springer hier bloß die Rolle eines unbeteiligten Zuschauers spielt).
Bei der Schlussphase (ab dem 23. Zug) habe ich schmunzeln müssen, mag sie doch in ihrer Brutalität so gar nicht zu dem sanften Märchenonkel Pfleger, wie wir ihn kennen, passen :))
Und gleichzeitig eine glanzvolle taktische Rechtfertigung der strategisch etwas fragwürdigen Tarrasch-Verteidigung.
Das mit 19... Db4 vorbereitete Qualitätsopfer auf d5 ist in der Tat sehr schön und zeigt die Überlegenheit von zwei Läufern über Turm und Springer in dieser Stellung (zumal ja der weiße Springer hier bloß die Rolle eines unbeteiligten Zuschauers spielt).
Bei der Schlussphase (ab dem 23. Zug) habe ich schmunzeln müssen, mag sie doch in ihrer Brutalität so gar nicht zu dem sanften Märchenonkel Pfleger, wie wir ihn kennen, passen :))
perip - 01. Apr '18
Wieder einmal sehr schön kommentiert, danke!
Eine Anmerkung: Beim Kommentar zum alternativen 29. Zug (Td4) ist bereits 29. ... Df3# möglich, falls ich nicht irgendwas Offensichtliches übersehe.
Eine Anmerkung: Beim Kommentar zum alternativen 29. Zug (Td4) ist bereits 29. ... Df3# möglich, falls ich nicht irgendwas Offensichtliches übersehe.
Kellerdrache - 03. Apr '18
@perip: Das stimmt natürlich. Ich war so verliebt in meine Variante (mit Opfer !!), dass ich gar nicht nach viel einfacheren Lösungen gesucht hab ;-)).
Wer sich mehr mit Pfleger als Spieler beschäftigen will dem kann ich vor allem noch einen schönen Sieg gegen Larsen empfehlen. Die Partie war mir allerdings zum kommentieren zu lang und auch zu kompliziert (sprich ich hab sie nicht wirklich komplett verstanden).
Schachspieler von Qualität, die auch als Medienprofis durchgehen können gibt es gar nicht so viele. Daniel King, Seirawan und die Lubbes gehören sicher dazu. Auch Kasparov kann so was ganz gut, hat aber wohl nicht zu viel Interesse. Seine Chessbase DVDs zu Naidorf und Damengambit sind jedenfalls sehr gut. Sein alter Feind Karpov hat leider nicht genug Ausstrahlung, denn in den wenigen Videos die ich von ihm gesehen habe erklärt er ganz exzellent.
Schade, das Spieler wie Tartakower, Bronstein , Tal usw. nie Lust oder Gelegenheit hatten sich auf diesem Gebiet zu betätigen. das wäre bestimmt sehr unterhaltsam geworden.
Wer sich mehr mit Pfleger als Spieler beschäftigen will dem kann ich vor allem noch einen schönen Sieg gegen Larsen empfehlen. Die Partie war mir allerdings zum kommentieren zu lang und auch zu kompliziert (sprich ich hab sie nicht wirklich komplett verstanden).
Schachspieler von Qualität, die auch als Medienprofis durchgehen können gibt es gar nicht so viele. Daniel King, Seirawan und die Lubbes gehören sicher dazu. Auch Kasparov kann so was ganz gut, hat aber wohl nicht zu viel Interesse. Seine Chessbase DVDs zu Naidorf und Damengambit sind jedenfalls sehr gut. Sein alter Feind Karpov hat leider nicht genug Ausstrahlung, denn in den wenigen Videos die ich von ihm gesehen habe erklärt er ganz exzellent.
Schade, das Spieler wie Tartakower, Bronstein , Tal usw. nie Lust oder Gelegenheit hatten sich auf diesem Gebiet zu betätigen. das wäre bestimmt sehr unterhaltsam geworden.
Tantra - 19. Apr '18
Gegen mich dachte er mal im fuenften Zug im Simultan eine Minute nach. Ich spielte mit Weiss Grobs Angriff 1.g4 d5 2.Lg2 LxB 3.c4 e6 4.cd ed 5.Db3. Endete nach langem hin und her Remis.