Kommentierte Spiele
Schottisches Abenteuer (I)
Kellerdrache - 23. Apr '17
Sieht man in Großmeisterpartien die Eröffnungszüge 1.e4 e5 ist die Frage eigentlich nur welche Variante der spanischen Eröffnung aufs Brett kommt. Ist der Schwarzspieler nicht allzu ambitioniert greift er vielleicht auch mal zur Russischen Verteidigung.
In den 90er Jahren versuchte Garry Kasparov die Schottische Eröffnung wiederzubeleben. Was seine persönliche Statistik angeht durchaus mit Erfolg. Er gewann einige Partien gegen Top-Konkurrenz und verlor, wenn meine Datenbank da komplett ist, keine einzige.
So wie alles was ein Weltmeister auf dem Brett erfolgreich tut seine begeisterten Nachahmer unter den Amateuren findet war es auch hier so. Das folgende Beispiel wurde bei einem lokalen Turnier gespielt an dem ich auch teilnahm. Die Partie habe ich damals nicht live gesehen und ihre Teilnehmer waren mir nicht näher bekannt, doch die Turnierleitung stellte nach jeder Runde ein kleines Bulletin mit ausgewählten Partien zur Verfügung.
Trotz Kaffeeflecken und eingerissenen Ecken habe ich sie für euch gerettet und hoffentlich auch so kommentiert, dass sie unterhaltsam und verständlich geworden ist.































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In den 90er Jahren versuchte Garry Kasparov die Schottische Eröffnung wiederzubeleben. Was seine persönliche Statistik angeht durchaus mit Erfolg. Er gewann einige Partien gegen Top-Konkurrenz und verlor, wenn meine Datenbank da komplett ist, keine einzige.
So wie alles was ein Weltmeister auf dem Brett erfolgreich tut seine begeisterten Nachahmer unter den Amateuren findet war es auch hier so. Das folgende Beispiel wurde bei einem lokalen Turnier gespielt an dem ich auch teilnahm. Die Partie habe ich damals nicht live gesehen und ihre Teilnehmer waren mir nicht näher bekannt, doch die Turnierleitung stellte nach jeder Runde ein kleines Bulletin mit ausgewählten Partien zur Verfügung.
Trotz Kaffeeflecken und eingerissenen Ecken habe ich sie für euch gerettet und hoffentlich auch so kommentiert, dass sie unterhaltsam und verständlich geworden ist.
Garryclone Schwarzer, Humor 1992.11.17 | C45 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. d4 xd4 4. Sxd4 Lc5 Eine der Hauptvarianten der schottischen Eroffnung. Die üblichen Erwiderungen sind Sxc6, Sb3 oder.. 5. Le3 droht nach Sxc6 mit Angriff auf die Dame den Lc5 zu kassieren Df6 nach Sxc6 kann Schwarz jetzt mit der Dame zurücknehmen. Zusatzlich erhöht Df6 den Druck auf den Sd4 6. c3 Sge7 7. Lc4 Lässt Weiß d5 zu, verflacht das Ganze zu sehr um auf Gewinn zu spielen O-O 8. O-O b6 ein eigenartiger Zug, auch wenn der Laufer von b7 aus den Bauern e4 ins Visier nimmt. d6 mit Einflussnahme auf das Zentrum sieht natürlicher aus 9. Te1 Lb7 10. Sxc6 solange der Springer auf d4 stand behinderte er Sd2. Die Alternative wäre Sb3 gewesen. Dxc6 nach den anderen Möglichkeiten wiederzunehmen könnte Garryclone seinem Gegner mit Lxc5 einen Doppelbauern verschaffen 11. Sd2 Tae8 Nimmt den e4 ein weiteres mal unter Beschuss 12. Db3 a6 um Lb5 zu verhindern was gefährlicher ist als es aussieht. Nach z.B. 13.Lb5 Dd6 14.Lxc5 kostet 14.. bxc5 15.Dxb7 den Läufer und 14...Dxc5 15.Lxd7 einen Zentrumsbauern 13. Sf3 Von hier aus droht das Pferd über e5 die Bauern d7 und f7 sowie die schwarze Dame anzugreifen. Ich rechnete von daher mit der Antwort 13...d6 d5 sehr mutig. Der Zug unterbricht die Diagonale auf den f7, entfernt den Angriffspunkt d7 und erzwingt die Klärung im Zentrum. Man muss aber in jedem Fall auch die Folgen des Abtauschs auf d5 durchrechnen 14. Ld3
14. xd5 Sxd5 Jetzt verhindert der Turm von e8 aus Se5 15. Lxd5 Dxd5 16. Dxd5 Lxd5 17. Lxc5 xc5 Schwarz hat einen Haufen schwacher Bauern am Damenflügel, aber dafür ist der Läufer im Endspiel in der Regel die stärkere Figur. Der Kommentator, der sich nicht festlegen will spricht hier gerne von einer unklaren Stellung.
Lxe3 xe4 gabelt Ld3 und Sf3. Ich dachte zuerst die Kollegen hätten hier gepatzt bevor ich die Antwort 15. Lxc5 fand xd3 16. Lxe7 Der schwarze Humor muss zumindest einen großen Teil der Varianten am Brett geahnt oder gerechnet haben, sonst hätte er wohl nicht auf die Bauerngabel verzichtet
15. Txe3 Sg6 direkt dxe4 geht ja leider nicht solange nach 16.Lxe4 die schwarze Dame zurückschlagen müsste. 16. Tae1 Se5 Schwarz leitet mit diesem Zug eine Folge von Tauschmanövern und den Übergang ins Endspiel ein 17. Sxe5 Txe5 18. xd5 Dame und Turm hängen.Doch der schwarze Humor hat genau gerechnet Txe3 19. Txe3 Dxd5 20. Dxd5 Lxd5 21. Te7 Alle Turmendspiele sind remis - so einfach ist es leider nicht. Bei optimalem Spiel stimmt es vermutlich hier auch wenn Garryclone auch durch seine aktivere Stellung einen leichten Vorteil hat Lxa2 22. Txc7 Td8 Solange Schwarz das Grundlinienmatt decken muss ist Txd3 eine reine Scheindrohung. Te8, was die Aktivierung des weißen Königs behindert hätte mir besser gefallen 23. Kf1 a5 Jetzt, wo der weiße König sich ins Freie begibt musste Lxa6 ernst genommen werden 24. c4 Garry nimmt den Laufer a2 vorübergehend aus dem Spiel g6 25. Ke2 Grundlinienmatt auf der achten Reihe ist verhindert, also muss der Läufer jetzt gedeckt werden Kg7 26. Tb7 Td6 zu passiv gespielt. Tc8 mit Angriff auf den c4 sieht besser aus, da Schwarz auf diese Weise auch seinen La2 befreien könnte 27. Ke3 Te6+ 28. Kd4 das Material ist gleich, doch alle weißen Figuren sind deutlich aktiver als ihre schwarzen Gegenstücke a4 gegen 29.Kc3 gefolgt von b3 nebst Abholung des La2 gerichtet 29. f3 Lb3 wenigsten muss sich Schwarz nun nicht mehr um den armseligen Läufer sorgen 30. Le4 verhindert Tc6 mit Angriff auf den c4. Die Möglichkeit mit Ld5 den Punkt f7 ins Visier zu nehmen darf auch nicht unterschätzt werden h6 31. Kc3 g5 32. h3 Kf6 kein guter Zug. Das Feld f6 wurde nach Ld5 fur den Turm benötigt 33. Ld5 Te2 der schwarze Turm greift erstmals aktiv ins Spiel ein, doch während sein weißer Gegenpart auf die Hilfe seines Läufers bauen kann ist der Te2 ziemlich auf sich gestellt 34. Txf7+ Kg6 35. Tb7 Tc2+ 36. Kd4 Txg2 37. Txb6+ Dadurch bekommt Weiß einen wichtigen Freibauern Kh5 38. Le4 Sorgt dafür, dass der schwarze König nicht so einfach zurück ins Geschehen findet. Weiß opfert seinen b2. Er vertraut darauf, dass sein Freibauer in Verbindung mit der entstehenden Fesselung des Lb3 dieses Mahl unbekömmlich macht Txb2 39. c5 a3 40. Kc3 stoppt den a-Bauern, der an die Deckung des Turms gebunden wird. Der Tb2 kann nicht ziehen ohne den Läufer zu verlieren. Das kleinere Übel ist also den eigenen Freibauern herzugeben Lf7 41. Txb2 xb2 42. Kxb2 Kh4 43. Kc3 Kxh3 der entscheidende Fehler. Wichtiger als der Bauer wäre es gewesen den Lf7 auf ein Feld zu bringen von dem aus er die Umwandlung des c5 behindern kann 44. Lf5+ Kg3 45. c6
Vabanque - 24. Apr '17
Ich muss sagen, das war eine Amateurpartie auf ziemlich hohem Niveau! Zwar nicht spektakulär, aber trotzdem durchgängig spannend, und vor allem nicht durch grobe Patzer entstellt!
Die Spieler hatten wohl so um 2000 herum, würde ich schätzen.
Die Kommentare waren wieder mal sehr anschaulich und haben den Genuss am Nachspielen erheblich erhöht, zwei kleine Sachen sind mir noch aufgefallen:
1) Kommentar zum 12. Zug von Schwarz: Nach 13. Lb5 Dd6 14. Lxc5 bxc5 kann Weiß nicht auf b7 nehmen, weil der Lb5 ja noch dazwischen steht (Restabbild!)
2) Kommentar zum 14. Zug von Schwarz: Kann nach 14... dxe4 15. Lxc5 bxc5 Weiß nicht einfacher (statt Se5) Lxe4 spielen?
Und dann hätte ich mir am Schluss statt einer bloßen Variante, wie Weiß gewinnt, noch eine verbale Erklärung gewünscht, etwa so: dass Weiß typischerweise für diese Art Läuferendspiel den Freibauern nicht allein mit seinem Läufer umwandeln kann, weil der dann den einzigen verbleibenden eigenen Bauern im Stich ließe, so dass der König vorpreschen muss, während der Läufer den Bauern gedeckt hält. Eine Situation, die öfters mal vorkommt, die also recht lehrreich ist und die man sich deswegen einprägen sollte.
Hätte Schwarz denn nicht am Schluss noch mit 44... Kh4 (oder sogar noch mit 47... Kh4), was den Vormarsch des h-Bauern unterstützt, größere Probleme stellen können?
Die Spieler hatten wohl so um 2000 herum, würde ich schätzen.
Die Kommentare waren wieder mal sehr anschaulich und haben den Genuss am Nachspielen erheblich erhöht, zwei kleine Sachen sind mir noch aufgefallen:
1) Kommentar zum 12. Zug von Schwarz: Nach 13. Lb5 Dd6 14. Lxc5 bxc5 kann Weiß nicht auf b7 nehmen, weil der Lb5 ja noch dazwischen steht (Restabbild!)
2) Kommentar zum 14. Zug von Schwarz: Kann nach 14... dxe4 15. Lxc5 bxc5 Weiß nicht einfacher (statt Se5) Lxe4 spielen?
Und dann hätte ich mir am Schluss statt einer bloßen Variante, wie Weiß gewinnt, noch eine verbale Erklärung gewünscht, etwa so: dass Weiß typischerweise für diese Art Läuferendspiel den Freibauern nicht allein mit seinem Läufer umwandeln kann, weil der dann den einzigen verbleibenden eigenen Bauern im Stich ließe, so dass der König vorpreschen muss, während der Läufer den Bauern gedeckt hält. Eine Situation, die öfters mal vorkommt, die also recht lehrreich ist und die man sich deswegen einprägen sollte.
Hätte Schwarz denn nicht am Schluss noch mit 44... Kh4 (oder sogar noch mit 47... Kh4), was den Vormarsch des h-Bauern unterstützt, größere Probleme stellen können?
Vabanque - 24. Apr '17
Ups, ich hätte das pgn vorher anklicken sollen, da stehen die Wertungszahlen der Spieler ja drin. Meine Schätzung war also relativ gut!
Kellerdrache - 24. Apr '17
Ich war auch vom Spielniveau angetan. Vor allem wie der DWZ-schwächere Schwarzspieler über lange Zeit mithält. Erst im von ihm angestrebten Endspiel zeigt sich dann meiner Meinung nach ein Qualitätsunterschied. Ich hätte z.B. im Mittelspiel garantiert die Bauerngabel dxe4 gespielt und die Varianten nicht am Brett gefunden.
Deine Anmerkungen zu den Zügen 12 und 14 muss ich mir mal zu Hause am Brett ansehen. Der Grund für die fehlende Erläuterung zum Ende der Partie ist einfach, dass ich meinen eigenen Endspielqualitäten nicht genug vertraue um hier verlässliche Erläuterungen zu schreiben.
Deine Anmerkungen zu den Zügen 12 und 14 muss ich mir mal zu Hause am Brett ansehen. Der Grund für die fehlende Erläuterung zum Ende der Partie ist einfach, dass ich meinen eigenen Endspielqualitäten nicht genug vertraue um hier verlässliche Erläuterungen zu schreiben.
Vabanque - 24. Apr '17
Der Unterschied zwischen DWZ 1800 und 2000 zeigt sich häufig auch erst im Endspiel. Deswegen war es eigentlich unklug vom etwas schwächeren Spieler, ein Endspiel anzustreben. Aber er hielt es wohl wegen der symmetrischen Bauernstruktur für todremis. Ich habe jedoch auch schon öfters die bittere Erfahrung machen dürfen, dass selbst bei völlig symmetrischer Bauernstellung die aktivere Figurenposition allein den Ausschlag geben kann. Hier kamen freilich noch weitere Ungenauigkeiten von Seiten des Schwarzen hinzu.
fastplay - 25. Apr '17
Hallo Kellerdrache,
da ich selbst als Weißspieler gelegentlich versuche Schottisch zu spielen war die Partie für mich natürlich vom besonderen Interesse. Danke für die viele Arbeit.
Bitte gestatte mir noch einene kurze Zusatzbemerkung zum 5. Zug von Schwarz mit Df6. Da hattest Du geschrieben, dass die Dame nach Sxc6 wiedernehmen kann. Noch stärker wäre aber wohl erst Lxe3 von Schwarz wegen Mattdrohung und dann erst den Springer auf c6 schlagen.
Hat mir sehr gut gefallen:-)
da ich selbst als Weißspieler gelegentlich versuche Schottisch zu spielen war die Partie für mich natürlich vom besonderen Interesse. Danke für die viele Arbeit.
Bitte gestatte mir noch einene kurze Zusatzbemerkung zum 5. Zug von Schwarz mit Df6. Da hattest Du geschrieben, dass die Dame nach Sxc6 wiedernehmen kann. Noch stärker wäre aber wohl erst Lxe3 von Schwarz wegen Mattdrohung und dann erst den Springer auf c6 schlagen.
Hat mir sehr gut gefallen:-)
Colorado77 - 25. Apr '17
Daumen hoch! Tolle Kommentierung.
Kannst Du vlt. was sagen zum Ende, ich meine, auf die Schnelle sehe ich da keinen Gewinn.
Richtig hast Du gesehen Kxh3 verliert stante pede.
Wenn Schwarz noch frisch gewesen wäre, hätte er vermutlich das offensichtliche 43...Le6 ! gezogen.
44.Lb7 ? Lxh3
45.c6 Kg3 nebst Eroberung des letzten Bauern f3 ist sofort Remis.
44.c6 Lxh3
45.Kd4 Kg3
46.Ke5 h5
47. Lf5 Lf1! und nun geht der Läufer nach a6.....
48. Lc8!? h4
49.c7 und jetzt muss Schwarz aufpassen, Lg2 sollte noch halten hier
50.Auf Lb7 geschieht Lh3 =
Auf 50.Ld7 geschieht h3! und nach
51.c8D h2 und auch Schwarz erhält eine Dame im nächsten Zug.
Das scheint mit auch Remis zu sein.
Jetzt ohne Engine aus dem Kopf raus....
Kannst Du vlt. was sagen zum Ende, ich meine, auf die Schnelle sehe ich da keinen Gewinn.
Richtig hast Du gesehen Kxh3 verliert stante pede.
Wenn Schwarz noch frisch gewesen wäre, hätte er vermutlich das offensichtliche 43...Le6 ! gezogen.
44.Lb7 ? Lxh3
45.c6 Kg3 nebst Eroberung des letzten Bauern f3 ist sofort Remis.
44.c6 Lxh3
45.Kd4 Kg3
46.Ke5 h5
47. Lf5 Lf1! und nun geht der Läufer nach a6.....
48. Lc8!? h4
49.c7 und jetzt muss Schwarz aufpassen, Lg2 sollte noch halten hier
50.Auf Lb7 geschieht Lh3 =
Auf 50.Ld7 geschieht h3! und nach
51.c8D h2 und auch Schwarz erhält eine Dame im nächsten Zug.
Das scheint mit auch Remis zu sein.
Jetzt ohne Engine aus dem Kopf raus....
Vabanque - 26. Apr '17
Erfahrungsgemäß ist es ja ganz typisch, dass nicht nur in Turmendspielen, sondern auch in solchen Läuferendspielen die schwächere Partei bis kurz vor Schluss objektiv gute Rettungschancen hat. Nur ist es in einer solchen Situation nicht mehr so einfach, diese Chancen zu sehen. Da spielen Nerven natürlich auch eine große Rolle. Mir selber geht es dann so, dass ich das Spiel zu früh als verloren ansehe und gar nicht mehr nach Rettungsmöglichkeiten suche. Oder ich suche so krampfhaft nach einer Chance, dass ich die objektiv guten Züge nicht sehe.
Kellerdrache - 26. Apr '17
Ja, das Endspiel. Ich habe meine Kommentare zum Endspiel relativ knapp gehalten, weil ich da auch nicht der Profi bin. Die von dir angegebenen Varianten sehen aber nach erster Überprüfung ganz überzeugend aus.