Kommentierte Spiele
Große Partien ... (XI): Shirov - Leko 1995
Vabanque - 04. Jan '14
Nach Nimzowitsch und Tal kam Ende des 20. Jh. dann endlich wieder ein
neuer Schachzauberer aus Lettland: Alexey Shirov. Hoffnungen auf eine
WM-Kandidatur haben sich zwar nicht erfüllt, und inzwischen ist Shirov
leider auch auf Platz 53 der Weltrangliste abgesunken, doch er gehört
ohnehin zu den Spielern, die den Schachfreund weniger durch ihre
sportlichen Erfolge als vielmehr durch ihre glänzenden Partien
beeindrucken. Mit diesen wird er in der Schachgeschichte auch mit
Sicherheit in Erinnerung bleiben. Shirovs Spielstil ist äußerst
kompliziert und verwirrend. Er zaubert quasi mühelos Stellungen aufs
Brett, die einem sonst höchstens in Träumen begegnen. In dieser Hinsicht
ist die folgende Partie eigentlich noch sehr harmlos, aber ich habe
natürlich nach einem übersichtlich kommentierbaren Spiel gesucht. Bei der
überwiegenden Mehrzahl der Shirov-Partien wäre ich mit der Kommentierung
hoffnungslos überfordert. Die meisten seiner Züge lassen sich nur durch
einen Varianten-Urwald erklären, den ich hier weder mir noch meinen
Lesern zumuten mag ;)
Aber wie gesagt, die folgende Partie ist für Shirovs Verhältnisse
wirklich ganz einfach und klar.































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neuer Schachzauberer aus Lettland: Alexey Shirov. Hoffnungen auf eine
WM-Kandidatur haben sich zwar nicht erfüllt, und inzwischen ist Shirov
leider auch auf Platz 53 der Weltrangliste abgesunken, doch er gehört
ohnehin zu den Spielern, die den Schachfreund weniger durch ihre
sportlichen Erfolge als vielmehr durch ihre glänzenden Partien
beeindrucken. Mit diesen wird er in der Schachgeschichte auch mit
Sicherheit in Erinnerung bleiben. Shirovs Spielstil ist äußerst
kompliziert und verwirrend. Er zaubert quasi mühelos Stellungen aufs
Brett, die einem sonst höchstens in Träumen begegnen. In dieser Hinsicht
ist die folgende Partie eigentlich noch sehr harmlos, aber ich habe
natürlich nach einem übersichtlich kommentierbaren Spiel gesucht. Bei der
überwiegenden Mehrzahl der Shirov-Partien wäre ich mit der Kommentierung
hoffnungslos überfordert. Die meisten seiner Züge lassen sich nur durch
einen Varianten-Urwald erklären, den ich hier weder mir noch meinen
Lesern zumuten mag ;)
Aber wie gesagt, die folgende Partie ist für Shirovs Verhältnisse
wirklich ganz einfach und klar.
Alexey Shirov Peter Leko Belgrade Invest | Belgrade Invest | 1995 | 1:0
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5
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g

h

1. e4 e5 2. Sf3 Sc6 3. Lb5 a6 4. La4 Sf6 5. O-O Le7 6. Te1 b5 7. Lb3 d6 8. c3 O-O 9. h3 Der 'geschlossene Spanier' ist uns schon in Teil X der Reihe begegnet. Lb7 Hier aber verzichtet Schwarz auf das Breyer-Manöver Sc6-b8-d7. 10. d4 Te8 Provoziert eigentlich den folgenden Springerangriff, mit dem Weiß jedoch nichts erreicht. 11. Sg5 Zwingt den Turm zum Rückzug. Tf8 12. Sf3 Besseres ist nicht zu sehen. Te8 Anscheinend wäre Schwarz mit Remis durch Zugwiederholung zufrieden. Weiß aber nicht! Er hat die Züge bloß zwecks Zeitgewinn auf der Uhr wiederholt, eine Praxis, die dem Turnierspieler vertraut ist. 13. a4 h6 14. Sbd2 Lf8 Schwarz beginnt mit den folgenden Manövern ein Gegenspiel gegen das weiße Zentrum. 15. Lc2 xd4 16. xd4 Sb4 17. Lb1 c5 18. d5 Sd7 19. Ta3 f5 Das ist natürlich an dieser Stelle konsequent, um die weiße Bauernkette endgültig zu zerschlagen, aber auch riskant wegen der entstehenden Schwächen am Königsflügel. 20. xf5 Lxd5 Wenn man den weiteren Partieverlauf, in dem dieser Springer für alle Zeiten auf diesem Platz stehen bleiben und nie mehr ins Geschehen eingreifen wird, kennt, kommt man zu dem Schluss, dass vielleicht hier Sxd5 besser gewesen wäre. 21. Txe8 Dxe8 22. Te3 Nach der Partie stellte Shirov selber verblüfft fest, dass dies zu diesem Zeitpunkt ein neuer Zug war. Die Stellung war schon einmal vorher vorgekommen, da hatte Weiß aber Sh4 gespielt und nichts erreicht. Df7 23. Se4 Die weißen Figuren richten sich mehr und mehr gegen die schwarze Königsstellung. xa4 Wieder riskant, aber wie nachträgliche Analysen gezeigt haben, sogar am besten. Auf f5 kann die schwarze Dame nicht gut wegnehmen, weil nach 24. Ld2! der weiße Lb1 gedeckt ist und daher allerlei Abzüge des Springers e4 drohen, denen Weiß nicht mit Df7 begegnen kann wegen 25. Lxb4! cxb4 26. Seg5! hxg5 27. Sxg5, und die schwarze Dame kann nicht gleichzeitig überleben und den vernichtenden Einschlag Dxd5+ verhindern. 24. Sfg5! xg5 Warum spielt Schwarz eigentlich hier nicht Dxf5 ? Auf 25. Ld2! (ähnlich wie in der vorigen Anmerkung) kann doch jetzt Lc6 geschehen, weil auf Abzüge des Se4 Schwarz mit der Dame auf g5 schlagen könnte. Shirov wies in seinem Buch 'Fire on Board' in einer fast eine ganze Seite füllenden Analyse nach, dass 26. Sh7!? dann gewinnt. Aber 26. Tg3! (Stockfish) ist einfacher und besser. 25. Sxg5 Df6? Erst dieser Zug verliert! Dabei sieht er so selbstverständlich aus. Auf Dh5 könnte Schwarz nun Dh6 antworten. Aber der Gegenangriff auf die weiße Dame mit 25. ... Lb3! hätte zu einer 'ewigen Verfolgung' und damit zu Remis durch Zugwiederholung geführt. Weiß kann dann eigentlich mit seiner Dame nur die Felder f3 und wieder d1 betreten, weil auf De2 oder Dg4 Schwarz Dc4! antworten kann mit gleichzeitigem Angriff auf den Lc1, wonach Weiß in die Röhre guckt. 26. Te6! Das ist es, was Leko entweder übersehen oder nicht richtig berechnet hat. Lxe6 27. xe6 Hierdurch wird nicht nur quasi aus dem Nichts ein fürchterlicher Freibauer geboren, sondern vor allem öffnet sich die Diagonale des weißen Läufers b1, der nun bis nach h7 zielt! Nun droht vernichtend Dh5, da die Antwort Dh6 wegen Läuferschach auf h7 und anschließendem Springermatt auf f7 nichts mehr helfen würde. g6 Die weiße Dame muss vom Betreten des Feldes h5 abgehalten werden. Wenn Schwarz Se5 spielt, um den Springer zu retten und gleichzeitig das in der vorigen Anmerkung erwähnte Matt auf f7 zu verhindern, so spielt Weiß dieselbe Variante mit Damengewinn statt Matt: 27. ... Se5 28. Dh5 Dh6 29. Lh7+ Kh8 30. Sf7+ Sxf7 31. Lxh6 gxh6 32. Lb1 (um wieder Dg6 nebst Matt zu drohen) c4 (um die Diagonale mit Sd3 verstopfen zu können) 33. g4! und Weiß gewinnt noch den Sh6, egal ob Schwarz nun Sd3 oder Kg8 spielt. Er müsste beides ziehen können, was aber nicht geht, so dass in dieser Variante wieder mal ein einziges Tempo entscheidet. 28. xd7 Eine typische Shirov-Stellung. Er hat immer noch die Qualität weniger, aber alle seine Figuren zielen auf den gegnerischen Königsflügel (genau wie er es mag), und der Bauer d7 ist ein Monster. Td8 29. Dg4 Deckt d7 und droht bereits 30. Se6 Txd7 31. Sxf8. Le7 Auf De7 käme natürlich auch Se6 mit nachfolgendem Einschlag der weißen Dame auf g6. 30. h4 Auch hier wäre Se6 stark gewesen, aber Shirov muss jetzt nichts mehr übereilen. Er kann in Ruhe seine Stellung verstärken, indem er weitere Männer in den Kampf führt. Er muss hier auch nichts mehr durchrechnen; er fühlt, dass Schwarz hilflos ist und keine Verteidigung gegen den anschwellenden Orkan hat. d5 Da Leko sonst nichts tun kann, lässt er eben seine Bauern laufen. Immerhin ist dies ein Freibauer, auch wenn nicht zu sehen ist, wie der jemals durchkommen sollte. 31. Sf3 Siegreicher Rückzug! Weiß droht Lxg6. Kg7 Auf Kf7 käme sehr hübsch trotzdem Lxg6+, weil Schwarz wegen der Springergabel auf e5 nicht zurücknehmen könnte. 32. Lg5 Das war die andere Drohung, die der Springerrückzug aufgestellt hat. Dxb2 Verzweiflung; auf Df7 käme einfach Se5, während auf Dd6 Weiß Lf4 nebst Le5+ spielen kann. Immerhin bedroht Schwarz mit Dxb2 jetzt den weißen Läufer b1 mit Schach; außerdem hat er in diesem Moment nicht weniger als 3 Freibauern! Was für ein Stellungsbild! Aber: 33. Lh6+! Nach dieser letzten Keule gab Schwarz auf, denn auf Kxh6 wie auf Kf7 folgt jeweils Dg6#, während auf Kg8 Dxg6+ nebst Dh7# folgt, und letztlich auf Kh8 gibt Dxg6 zwar kein Schach, aber deckt den Lb1 und droht undeckbar Dh7#. Schwarz müsste dann die Dame hergeben und würde trotzdem bald mattgesetzt. Und der schwarze Sb4 schaut immer noch völlig unbeteiligt dem Geschehen zu.