Kommentierte Spiele
Damengambit für Anfänger
Kellerdrache - 10. Apr '17
Die folgende Partie habe ich ausgesucht, weil sie einige der gleichen Motive enthält wie die Flohr-Euwe Partie. Aber so wie diese ein Musterbeispiel einer perfekt geführten Damengambitpartie ist, so zeigt das heutige Beispiel wieviele strategische Fehler, positionelle Ungenaugkeiten und planlose Züge in einer ganz ähnlichen Partie gemacht werden können.
Bis auf den finalen Patzer gibt es nicht zuviele taktische Fehler, dafür aber positionell etliche Züge die zweifelhaft oder ungenau sind. ich hoffe ihr habt auch mit diesem Beispiel Spaß und bin, wie immer, für jede Resonanz dankbar.
Noch eine allgemeine Anmerkung. Wenn ich von ähnlichen Partien spreche bitte ich darum, dass nicht zu eng auszulegen. Wären sich die Partien ähnlicher gäbe es hier ja keine Fehler zu bewundern.































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Bis auf den finalen Patzer gibt es nicht zuviele taktische Fehler, dafür aber positionell etliche Züge die zweifelhaft oder ungenau sind. ich hoffe ihr habt auch mit diesem Beispiel Spaß und bin, wie immer, für jede Resonanz dankbar.
Noch eine allgemeine Anmerkung. Wenn ich von ähnlichen Partien spreche bitte ich darum, dass nicht zu eng auszulegen. Wären sich die Partien ähnlicher gäbe es hier ja keine Fehler zu bewundern.
Weisheit Dunkle, Seite 2010.02.13 | D60 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

D60: Queen's Gambit Declined: Classical: Unusual White 7th moves 1. d4 d5 2. Sf3 Sf6 3. c4 e6 4. Sc3 Sbd7 5. Lg5 Le7 6. e3 O-O 7. Ld3 Dieser Zug wird gerne herausgezögert, damit man nach dxc4 nicht noch ein Tempo mit Lxc4 verschwenden muss Te8 8. O-O h6 Als Spieler der lieber offene Stellungen spielt habe ich eine Aversion gegen solche Züge, die weder der Entwicklung noch dem Gegenspiel dienen. b6, was die Fianchettierung des Damenläufers erlaubt und c5 vorbereitet ist vielleicht nicht besser aber sicher aktiver 9. Lh4 Tb8 Ein relativ sinnfreier Zug. Träumt Schwarz von b5 ? Momentan stehen dem noch deutlich mehr weiße Figuren entgegen als diesen Vormarsch unterstützen. 10. c5 ich könnte das als Quizfrage an alle Leser stellen, die das Damengambit kennen: macht es Sinn denn Druck auf das Zentrum so früh aufzugeben ? Ohne sich Sorgen um d5 machen zu müssen kann der Sf6 jetzt jederzeit abziehen um den Abtausch des Lh4 zu erzwingen Sh7 ein ziemlich passiver Zug 11. Lg3 die passive Plazierung des Springers auf h7, statt h5 erlaubt es dem Läufer dieses günstige Feld einzunehmen von dem aus er c6 behindert. Lf6 bereitet e5 vor. Bevor das geht muss aber erst noch dafür gesorgt werden, dass d5 nach dem Ziehen des e-Bauern gedeckt bleibt. 12. Dc2 Sdf8 deckt h7 und erlaubt jetzt e5 13. b4 Sg5 ein interessanter Zug. Schwarz tauscht den passiven Springer gegen eine der Figuren die ...e5 im Wege stehen 14. Sxg5 xg5 der Läufer soll ja auf der Diagonale a1-h8 bleiben 15. b5 Weiß gewinnt zwar Raum hat aber noch keine Angriffsziele für seine Bauernarmee e5 16. xe5
16. Db3 das ist eine gute Alternative wenn man dem schwarzen Plan für diese Partie nicht folgen will. d5 hängt, Le6 geht nicht weil es die Turmlinie des Te8 unterbricht und nach c6 kommt einfach bxc6, da Schwarz wegen des ungedeckten Tb8 nicht zurücknehmen könnte xd4 17. Sxd5 mit beiderseitigen Drohungen. Während die dunkle Seite sich mit ...Lxc7 beschäftigen muss droht Schwarz mit dxe3 die Diagonale fur den Lf6 zu öffnen. Se6 18. Sxf6+ Dxf6 19. c6 b6
Lxe5 17. f4 hilft Schwarz seinen Doppelbauern loszuwerden und macht aus dem d5 einen, wenn auch schwachen Freibauern xf4 18. xf4 Ld4+ Schach mit gleichzeitigem Angriff aus c5. Die weiße Antwort ist deshalb erzwungen 19. Lf2 Lxf2+ 20. Txf2 Df6 21. Td1 Lg4 jetzt wo c6 geht will er ihn nicht mehr 22. Tdf1 22. Sxd5 dieser Zug ist ein Vorschlag meines elektronischen Kumpels. Den Herren am Brett waren die entstehenden Varianten aber zu kompliziert zu rechnen. De6 23. Tdd2
Dd4 23. Se2 De3 die Dame setzt sich fest. Ihre Position sieht zwar irgendwie verdächtig aus, aber es ist nicht zu sehen wie man sie auf die Schnelle vertreiben soll 24. h3 Lh5 25. Kh1 kommt zu spät. Jetzt wäre Zeit gewesen mit g4 und anschliesendem f5 den lästigen Läufer aus dem Spiel zu nehmen. Mit dem König auf h1 geht nach g4 aber immer Dxh3+ c6 26. xc6 xc6 aus dem Freibauern ist ein gedeckter Freibauer geworden und die dunkle Seite hat eine weitere offene Linie 27. Sg1 Te7 Dg3 gefiel Weisheit nicht wegen Se2. Es scheint mir aber immer noch besser den Läufer gegen einen Springer zu tauschen als ihn, wie in der Partie , absperren zu lassen. 28. g4 Lg6 29. f5 Lh7 Jetzt spielt Schwarz mit einer Figur weniger 30. Tf3 Dd4 31. Se2 auch hier belästigt Weiß die schwarze Königin, aber ohne die gleichzeitige Bedrohung des Turms wie in der obigen Variante hat sie mehrere passable Züge zur Auswahl Db2 32. Dxb2 Txb2 33. Sc3 viel zu passiv. Sd4 stellt den Nachziehenden vor die Wahl c5 für a2 zu geben oder Weiß die Zeit zu T1f2 zu lassen. Sd7 34. Tc1 Sxc5 zu fortgeschrittener Stunde funktioniert das taktische Auge nicht mehr 35. Lb1?? der schlechteste Zug. Nicht nur übersieht er Sxd5, sondern nimmt dem Sc3 auch sein letztes Rückzugsfeld d4 36. Sd1 jetzt erst sieht Weisheit, dass er damit die Deckung der Grundreihe aufhebt und gibt konsequenterweise auf 23. Sxc7 das dies nichts bringt sieht ein Amatuer nicht so ohne weiteres Lxd1 24. Dxd1 De1+ 25. Dxe1 Txe1+ 26. Tf1 Txf1+ 27. Kxf1 Tc8
Tbc8
KroMax - 10. Apr '17
Echt klasse Kellerdrache !
Spieler wie ich lernen aus solchen Partien einfach noch mehr, denn Lernen kann man eben nur Schritt für Schritt.
Danke dafür.
Beste Grüße
Max
Spieler wie ich lernen aus solchen Partien einfach noch mehr, denn Lernen kann man eben nur Schritt für Schritt.
Danke dafür.
Beste Grüße
Max
Vabanque - 10. Apr '17
Ziemlich lebhafte Partie mit größtenteils wirklich interessanten Stellungsbildern, bis zum ganz schlimmen Spiel entscheidenden Fehler von Weiß beiderseits auch recht ordentlich gespielt.
Witzig fand ich, dass ausgerechnet der Tb8, der im 9. Zug wirklich völlig unmotiviert auf dieses Feld gestellt wird, letztlich entscheidend in die weiße Stellung eindringt. So können sich manchmal Züge, die im Moment gar nichts bewirken, schließlich mit etwas Glück und Mithilfe von Seiten des Gegenübers doch noch bewähren ;)
Zwei kleine Schreibfehler habe ich auf die Schnelle noch entdeckt:
1) In der Anmerkung zum 27. Zug von Schwarz muss es heißen: 'Dg3 gefiel der dunklen Seite (nicht: Weisheit) nicht ... '
2) In der Anmerkung zum 33. Zug von Weiß muss es heißen: '... Sd4 stellt den Nachziehenden vor die Wahl c6 (nicht: c5) für a2 zu geben ... '
Noch eine generelle Anmerkung zur Eröffnung: Schwarzes h6 ist im Damengambit schon ein oft und gern gespielter Zug, der aber ins gewählte System passen muss. Z.B. ist er als Vorbereitung auf b6 recht gut (Tartakower-Variante), weil sich Schwarz dann weniger mit der späteren Bedrohung von h7 auseinandersetzen muss.
So wie Schwarz hier spielt, passt h6 freilich weniger rein.
Am einfachsten wäre auf 7. Ld3 wahrscheinlich wirklich dxc4 nebst Sd5, wonach Weiß dem Tausch des Lg5 nicht entgehen kann. Oder das Ganze einen Zug später. Im Sinne der Vorbereitung späteren e6-e5 passt Te8 schon rein, aber dann muss Schwarz auch an diesem Vorstoß arbeiten.
Witzig fand ich, dass ausgerechnet der Tb8, der im 9. Zug wirklich völlig unmotiviert auf dieses Feld gestellt wird, letztlich entscheidend in die weiße Stellung eindringt. So können sich manchmal Züge, die im Moment gar nichts bewirken, schließlich mit etwas Glück und Mithilfe von Seiten des Gegenübers doch noch bewähren ;)
Zwei kleine Schreibfehler habe ich auf die Schnelle noch entdeckt:
1) In der Anmerkung zum 27. Zug von Schwarz muss es heißen: 'Dg3 gefiel der dunklen Seite (nicht: Weisheit) nicht ... '
2) In der Anmerkung zum 33. Zug von Weiß muss es heißen: '... Sd4 stellt den Nachziehenden vor die Wahl c6 (nicht: c5) für a2 zu geben ... '
Noch eine generelle Anmerkung zur Eröffnung: Schwarzes h6 ist im Damengambit schon ein oft und gern gespielter Zug, der aber ins gewählte System passen muss. Z.B. ist er als Vorbereitung auf b6 recht gut (Tartakower-Variante), weil sich Schwarz dann weniger mit der späteren Bedrohung von h7 auseinandersetzen muss.
So wie Schwarz hier spielt, passt h6 freilich weniger rein.
Am einfachsten wäre auf 7. Ld3 wahrscheinlich wirklich dxc4 nebst Sd5, wonach Weiß dem Tausch des Lg5 nicht entgehen kann. Oder das Ganze einen Zug später. Im Sinne der Vorbereitung späteren e6-e5 passt Te8 schon rein, aber dann muss Schwarz auch an diesem Vorstoß arbeiten.
Kellerdrache - 11. Apr '17
Die lehrreichen Fehler in dieser Partie sind meiner Meinung nach die strategischen Fehler/Ungenauigkeiten. Ein Paar die mir beim Nachspielen aufgefallen sind:
1. Mit c5 hebt meiner Meinung nach die Spannung im Zentrum zu früh auf. Im Vergleich dazu beginnt Flohr seinen Minoritätsangriff erst nachdem er sicher gestellt hat, dass im Zentrum nichts mehr passiert.
2. die Züge h6 und Tb8 führen zu keinen Materialverlusten oder dergleichen, passen aber überhaupt nicht zu den stellungstypischen Plänen. Vor allem Tb8 ist schlecht wenn man früher oder später c6 spielen will/muss.
3. Schwarz versäumt die Gelegenheit mit Sh5 die Beseitigung des weißen dunkelfeldrigen Läufers zu erzwingen, was die Durchsetzung von e5 erheblich erschwert.
4. f4 ist meiner Meinung nach so etwas wie ein positioneller Patzer, weil er Schwarz mit dem Freibauern einen Trumpf geschenkt bekommt.
Ist euch sonst noch etwas aufgefallen was ihr anders gespielt hättet ? Oder um Colorados Lieblingsfrage zu stellen : Welcher Zug (oder welche Züge) haben die Partie in eine Richtung gekippt ? Bitte nicht 35. Lb1 wählen (zu offensichtlich).
1. Mit c5 hebt meiner Meinung nach die Spannung im Zentrum zu früh auf. Im Vergleich dazu beginnt Flohr seinen Minoritätsangriff erst nachdem er sicher gestellt hat, dass im Zentrum nichts mehr passiert.
2. die Züge h6 und Tb8 führen zu keinen Materialverlusten oder dergleichen, passen aber überhaupt nicht zu den stellungstypischen Plänen. Vor allem Tb8 ist schlecht wenn man früher oder später c6 spielen will/muss.
3. Schwarz versäumt die Gelegenheit mit Sh5 die Beseitigung des weißen dunkelfeldrigen Läufers zu erzwingen, was die Durchsetzung von e5 erheblich erschwert.
4. f4 ist meiner Meinung nach so etwas wie ein positioneller Patzer, weil er Schwarz mit dem Freibauern einen Trumpf geschenkt bekommt.
Ist euch sonst noch etwas aufgefallen was ihr anders gespielt hättet ? Oder um Colorados Lieblingsfrage zu stellen : Welcher Zug (oder welche Züge) haben die Partie in eine Richtung gekippt ? Bitte nicht 35. Lb1 wählen (zu offensichtlich).
aguirre - 11. Apr '17
9...Tb8 ist einfach ein starker Abwartezug mit einem sehr tiefen strategischen Hintergrund, solche Züge finden nur die wirklich Großen ;-)
Kellerdrache - 11. Apr '17
<<solche Züge finden nur die wirklich Großen ;-)>> Soweit ich mich entsinne dürften beide Spieler was ihre DWZ angeht zwischen 1750 und 1800 gehabt haben ;-))
speedymnb - 11. Apr '17
Du meinst er hat bereits mit 9... Tb8 die Stellung nach dem 27. Zug im Kopf gehabt? ;-)
Spaß beiseite. Ich hätte im 14. Zug statt
14. Sxg5....
14. Se5
gespielt Sieht aktiver aus. Außerdem könnte man dann mit f4 den Springer wieder auf h7 verbannen. Sollte Schwarz den Läufer gegen den Springer tauschen hat man immernoch f4 und das Läuferpaar.
Spaß beiseite. Ich hätte im 14. Zug statt
14. Sxg5....
14. Se5
gespielt Sieht aktiver aus. Außerdem könnte man dann mit f4 den Springer wieder auf h7 verbannen. Sollte Schwarz den Läufer gegen den Springer tauschen hat man immernoch f4 und das Läuferpaar.
aguirre - 11. Apr '17
Zumindest Karpov sagt man das in seiner besten Zeit nach. Er streute in Mittelspiel gern scheinbar unmotivierte Bauernzüge ein, die sich keiner erklären konnte, tatsächlich bereitete er so seine Bauernstruktur auf das noch nicht sichtbare Endspiel vor.
Hab ich mal irgendwo gelesen
Hier habe ich natürlich auch keine Erklärung für 9...Tb8, da spiele ich einfach zu schlecht :-)
Hab ich mal irgendwo gelesen
Hier habe ich natürlich auch keine Erklärung für 9...Tb8, da spiele ich einfach zu schlecht :-)
Vabanque - 11. Apr '17
>>9...Tb8 ist einfach ein starker Abwartezug mit einem sehr tiefen strategischen Hintergrund, solche Züge finden nur die wirklich Großen ;-)<<
Richtig. Erinnert stark an die 'mysteriösen Turmzüge' Nimzowitschs, wo er auch den Turm auf eine scheinbar völlig verstellte Linie zog, die sich aber dann 10-20 Züge später öffnete.
Petrosjan und Karpov fanden ähnlich mysteriöse Züge ...
>>Soweit ich mich entsinne dürften beide Spieler was ihre DWZ angeht zwischen 1750 und 1800 gehabt haben<<
Aufgrund der Partie hätte ich eher auf 1500-1600 getippt, aber vielleicht war ich in dieser Einschätzung auch von dem schlimmen Fehler Lb1 beeinflusst.
Richtig. Erinnert stark an die 'mysteriösen Turmzüge' Nimzowitschs, wo er auch den Turm auf eine scheinbar völlig verstellte Linie zog, die sich aber dann 10-20 Züge später öffnete.
Petrosjan und Karpov fanden ähnlich mysteriöse Züge ...
>>Soweit ich mich entsinne dürften beide Spieler was ihre DWZ angeht zwischen 1750 und 1800 gehabt haben<<
Aufgrund der Partie hätte ich eher auf 1500-1600 getippt, aber vielleicht war ich in dieser Einschätzung auch von dem schlimmen Fehler Lb1 beeinflusst.