Kommentierte Spiele
Rudolf Spielmann (II): Tartakower-Spielmann 1926
Vabanque - 03. Aug '14
Im Turnier zu Semmering 1926 erreichte Spielmann (als Außenseiter!) den größten Erfolg seiner gesamten Laufbahn. Er wurde ungeteilter Erster vor Aljechin, Vidmar, Nimzowitsch, Tartakower, Rubinstein, Tarrasch und Réti. In der 14. Runde besiegte
er Tartakower, der bis dahin das Feld angeführt hatte, mit den schwarzen Steinen in einer dramatischen, sehr komplizierten und keineswegs fehlerfreien Partie. Hier ist sie:































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er Tartakower, der bis dahin das Feld angeführt hatte, mit den schwarzen Steinen in einer dramatischen, sehr komplizierten und keineswegs fehlerfreien Partie. Hier ist sie:
Savielly Tartakower Rudolf Spielmann Semmering | Semmering (AUT) | 14 | 1926.03.25 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. Sf3 d5 2. d4 Sf6 3. c4 e6 4. Lg5 Sbd7 5. e3 c6 6. Sbd2 Der stets originelle Tartakower weicht hier von dem üblichen Sc3 ab. Der Textzug ist natürlich ebenfalls spielbar, hat aber den Nachteil, den weißen Druck auf d5 zu verringern, was Schwarz leichter zu c6-c5 kommen lässt. h6 7. Lh4 Le7 8. Ld3 O-O 9. O-O c5 10. Tc1 b6 11. xd5 xd5 12. Se5?! Geduld war nicht Tartakowers Stärke; nach dem ungenauen Textzug erreicht Schwarz schnell ein gutes Spiel. Mit 6. Sbd2 hatte Weiß eine ruhige Gangart angeschlagen, zu der das scharfe 12. Se5 nicht passt. Sxe5! 13. xe5 Sg4 14. Lg3 Anders ist der weiße e-Bauer nicht zu halten! f6 15. xf6 Lxf6 Nun hat Spielmann mit Schwarz ein freies Figurenspiel erreicht, was für ihn bedeutet, dass er sich in der entstandenen Stellung wie ein Fisch im Wasser fühlt. 16. h3?! Damit treibt Weiß den schwarzen Springer nur auf ein besseres Feld. Interessant war 16. b4!?, um die schwarze Bauernstruktur aufzubrechen. Se5 17. Le2 Lf5 18. Sf3 Sxf3+ 19. Lxf3 Lxb2!? Damit leitet Schwarz einen indirekten Bauerntausch ein, der ihm einen freien c-Bauern verschafft, im Gegenzug aber auch den weißen e-Bauern befreit. Spielmann hatte sich von dem einfachen und sicheren Le6, was den d-Bauern gedeckt hätte, wohl nicht mehr als Remis versprochen. 20. Lxd5+ Kh8 Nun würde Schwarz auf 21. Lxa8 nicht Lxc1 spielen, sondern mit 21... Dxa8! die Qualität zunächst opfern, die Weiß sowieso nicht behalten kann, z.B. 22. Tc4 Td8! nebst Ld3. Deswegen spielt Weiß nach 21. Lxa8 Dxa8 am besten 22. Db3; nach Lxc1 23. Txc1 ist dann wegen der ungleichen Läufer ein Remis wahrscheinlich. Nach allem, was in dieser Partie noch geschehen wird, wäre diese Abwickung aber für Weiß sehr ratsam gewesen. 21. Tc4 Auch Tartakower spielt auf Gewinn. Vielleicht glaubte er, mit diesem Manöver die Qualität doch noch gewinnen zu können. Dies ist aber eine Täuschung, wie Spielmann nachweisen wird. Tc8 22. e4 Lh7 23. De2 Nun droht Weiß nämlich nicht nur Dxb2, sondern auch Lb7. Weiß scheint am Ziel seiner Wünsche angelangt zu sein. Df6! Provoziert e5, womit nicht nur der Ld5 seiner Deckung beraubt wird, sondern auch der Lh7 wieder eine freie Diagonale erhält. Das ist alles sehr genial von Spielmann ausgedacht. 24. e5 Dd8! Jetzt wo der e-Bauer nach e5 gelockt worden ist, käme auf Lb7 natürlich Ld3, und Schwarz gewinnt! Aber auch 25. Dxb2 Dxd5 nebst Ld3 sieht schon verdächtig für Weiß aus. 25. Td1 Ld4 Nun hängt der Ld5. Interessant wäre jetzt für Weiß das Qualitätsopfer auf d4 gewesen. 26. Lf3?! Nun gerät die weiße Partie allmählich auf die schiefe Bahn. De7 27. Lg4 Tartakower versucht den Gegner möglichst zu beschäftigen; spielt Schwarz jetzt Lf5??, so tauscht Weiß auf f5 und gewinnt anschließend mit Tdxd4! den Ld4 wegen des dann gefesselten c-Bauern. Tce8 28. Lh5 Weiter popelt Weiß in der schwarzen Stellung herum. Td8 Mit g6 wird Schwarz seine Königsstellung natürlich nicht lockern wollen, wenn er nicht dazu gezwungen ist. 29. Kh2? Sehr wahrscheinlich ein Übersehen; es ist allerdings auch möglich, dass Tartakower die schwarze Antwort sehr wohl gesehen, aber ihre Folgen falsch bzw. nicht weit genug berechnet hat. Weiß möchte den f-Bauern entfesseln, um f4 ziehen zu können, was in der gegenwärtigen Stellung auch der richtige Plan wäre, um die eigene zentrale Bauernmehrheit zur Geltung zu bringen. Aber der korrekte strategische Plan ist (noch) nicht durchführbar, weil er taktisch widerlegt werden kann. Lxf2! 30. Lxf2 Der Zwischenzug Txd8 scheitert daran, dass Lxg3+ mit Schach erfolgt. Daraus könnte man jetzt folgern, dass Weiß statt 29. Kh2 besser Kh1 gespielt hätte. Aber mit dem weißen König auf h1 hätte Schwarz dennoch auf f2 nehmen können, jedoch mit einer anderen Pointe: Auf 30. Txd8 käme dann nämlich Dxd8! 31. Lxf2 Ld3! Txd1 31. Lh4!? Eventuell hatte sich Weiß auf diesen Gegenangriff verlassen, dem Schwarz freilich schon mit g5 begegnen könnte (wenn auch unter bedenklicher Lockerung seiner Königsstellung), wenn da nicht noch eine bessere Möglichkeit für Schwarz wäre. Aber der Textzug ist trotzdem die beste praktische Chance für Weiß, denn sowohl nach 31. Dxd1 Txf2 wie auch nach 31. Lxc5 bxc5 32. Dxd1 Dxe5+ hat zwar Schwarz zunächst jeweils nur einen Bauern gewonnen, aber bei überwältigender Position. Eine zwar verlorene, aber höchst verwickelte Position ist einer klar verlorenen in jedem Fall vorzuziehen. De6! 32. Dxd1 Dxc4 33. Dd6 Weiß baut noch auf seinen Freibauern. In der Tat sieht der recht gefährlich aus. Tf1?! Bereitet ein zwar glänzendes, aber eigentlich unnötiges und den Gewinn zumindest erschwerendes Damenopfer vor. Schon Pachman stellte fest, dass das scheinbar passivste Ausweichen des Turms 33... Tg8! ziemlich leicht für Schwarz gewinnt, da nach 34. Lg3 (der Lh4 hing) Le4! mit der Drohung Dxa2 bzw. Dc2 erfolgen kann. Weiß hat dann keine Zeit, seinen Bauern vorzuschieben. Ich bin aber ziemlich sicher, dass Spielmann einen passiven Turmzug wie Tg8 nicht einmal erwogen hat. 34. e6 Jetzt wo der schwarze Turm die Grundreihe verlassen hat, gelingt es Weiß tatsächlich, seinen Bauern umzuwandeln - allerdings um einen hohen Preis. Dxh4 35. e7 Jetzt muss Schwarz die Dame geben, denn auf 35... Te1 käme 36. Db8+! Lg8 37. Lf7 mit Gewinn. Dxh5 36. Dd8+ Lg8 37. e8=Q Dxe8 38. Dxe8 c4 Das ist die Stellung, die Spielmann bei 33... Tf1 im Sinn hatte. Er muss das Endspiel als gewonnen für Schwarz eingeschätzt haben. In der Praxis bewährt sich seine Einschätzung auch; dennoch glaubt Pachman, dass der schwarze Vorteil wegen der Beweglichkeit der weißen Dame nicht zum Gewinn ausreichen sollte, wenn Weiß aktiv genug spielt. Zunächst verteidigt sich Tartakower auch noch sehr gut. 39. g4! Mit der Idee, sich mit g4-g5 Dauerschachmöglichkeiten zu verschaffen. c3 40. Dc8 Jetzt muss er den Bauern natürlich schleunigst aufhalten. Tf3 Die Turmstellung 40... Tc1 wäre zu passiv; Weiß würde dann mit 41. g5 sein Remisziel bereits erreichen, z.B. hxg5 (wenn Weiß zu gxh6 kommt, hat er auch mindestens Dauerschach) 42. De8 mit Dauerschach auf den Feldern h5 und e8. 41. g5 xg5 42. Kg2? Dies verliert. Wie Tartakower nach der Partie selbst angab, war auch hier 42. De8! mit Dauerschachdrohung geboten. Verhindert dies Schwarz dann mit Tf6 (um auf h6 zu intervenieren), so kehrt die weiße Dame einfach nach c8 zurück (statt auf h5 Schach zu geben, was verliert). Es ist dann nicht zu sehen, wie Schwarz weiterkommen will. Versucht er nämlich (nach 42. De8 Tf6 43. Dc8) Tf2+ 44. Kg3 Txa2, um sich im Tausch gegen den Bauern c3 zwei verbundene Freibauern auf der a- und b-Linie zu verschaffen, so schlägt Weiß gar nicht mit der Dame auf c3, sondern spielt wieder 45. De8!, und nun kann Schwarz das Dauerschach nicht mehr verhindern (auf 45... g6 46. Dxg6 käme es dann eben auf den Feldern h6 und f8). - In der Partie geschieht es zunächst ähnlich wie in der gerade gezeigten Variante, aber mit dem entscheidenden Unterschied, dass der fehlerhafte weiße Königszug die schwarze Turmstellung inzwischen verbessert hat. Td3 43. De8 Td6 Verhindert das Dauerschach. 44. Dc8 Td2+ 45. Kf3 Bei dem korrekten sofortigen 42. De8! wäre jetzt der Turm auf f2 und vom weißen König auf g3 angegriffen, so dass Schwarz den folgenden Zug nicht spielen könnte. c2 46. Ke3 De8, um wieder das Dauerschach zu drohen, bringt jetzt nichts mehr wegen der studienartigen Ablenkung Td8!! Th2 47. h4 Verzweiflung. Th3+?! Zwar effektvoll, aber eigentlich schwach, da der Zug den weißen König näher zum schwarzen Freibauern treibt. 48. Ke4? Kd2! hätte jetzt wieder guten Widerstand ermöglicht. Aber bereits demoralisiert, nutzt Tartakower diese Chance nicht. Merkwürdigerweise erwähnt auch Pachman in seinen sonst exzellenten Analysen zu dieser Partie (in dem Buch 'Entscheidungspartien') die Möglichkeit 48. Kd2 nicht. Reinfeld und Chernev dagegen weisen darauf hin, dass nach 48. Kd2 Txh4 Weiß den Bauern c2 weder mit dem König noch mit der Dame schlagen kann. Das ist richtig, aber leider verraten sie uns nicht, wie Schwarz nach 49. Db8! fortsetzen soll, um zu gewinnen. Txh4+ Th1! hätte dem Bauern den Weg auf der Stelle geebnet, da Weiß wegen Lh7+ nicht auf c2 nehmen kann. Deswegen ist die Königsstellung auf e4 besonders schlecht. Aber nach 48. Kd4 hätte Schwarz auch wie im Text gewonnen. 49. Kf5 Er sieht es immer noch nicht. Aber nun ist es egal, denn auf jeden anderen Königszug käme Tc4. Interessant wäre noch 49. Ke5 Tc4 50. De8, weil dann Schwarz wiederum wegen des Dauerschachs den Bauern nicht sofort verwandeln dürfte. Aber 50... Te4+! zwingt den weißen König nach e4, so dass nach 51. Kxe4 c1=D Weiß das Dauerschach nicht geben kann, weil nach 52. Dh5+ Lh7+ mit Schachgebot erfolgt! Auch nach 49. Kf3 Tc4 50. De8 hätte Schwarz einen Kniff: er schaltet g4+ ein und wandelt anschließend den Bauern um, weil die entstandene Dame dann nach Dh5+ auf h6 dazwischentreten könnte. Th1 Tc4 hätte es natürlich auch hier getan. Aber jetzt sieht Spielmann die elegante Wendung, die schon im vorigen Zug entschieden hätte. Weiß gab auf. Trotz der vielen beiderseitigen Unterlassungen eine ungewöhnlich interessante Partie, vor allem das Endspiel mit Turm, Läufer und Bauer gegen die Dame.
Hasenrat - 03. Aug '14
Ja, das sieht gut aus, diese Partie.
Auch hier mal wieder ein illustres Tatsachen-Argument für die verspielte, "ungenaue" Schachlust gegen die "genaue" angestrengte Schachwissenschaft. Will ich meinen.
Mein Kommentar-Highlight: "Weiter popelt Weiß in der schwarzen Stellung herum" ... :-D
Auch hier mal wieder ein illustres Tatsachen-Argument für die verspielte, "ungenaue" Schachlust gegen die "genaue" angestrengte Schachwissenschaft. Will ich meinen.
Mein Kommentar-Highlight: "Weiter popelt Weiß in der schwarzen Stellung herum" ... :-D
Vabanque - 03. Aug '14
Man könnte auch sagen: Hier zeigt sich wieder mal der Unterschied von menschlichem zu Engine-Schach.
Kellerdrache - 04. Aug '14
Der Perfektionist rümpft hier die Nase, aber uns Amateuren ist die Spiel- und Denkweise eines Spielmann sehr verständlich.
Es geht, außerhalb des Profi-Bereichs selbstverständlich, eben nicht nur ums Ergebnis, sondern auch um den Spielspaß. Viele interessante Eröffnungen werden z.B. heute von Topleuten nicht mehr gespielt, weil sie mehr Risiko in sich bergen ohne größere Chancen zu bieten. Das ist vom wirtschaftlichen Standpunkt natürlich logisch und verständlich, raubt uns aber die ein oder andere unterhaltsame Partie.
Allein schon deswegen werden die alten Meister auch in hundert Jahren noch gern nachgespielt werden. Also mein Wunsch an den Chef-Analytiker: Ruhig noch mehr unkorrekte Spiele wie dieses von den Spielmännern, Retis, Tartakowers und Aljechins der Welt.
Es geht, außerhalb des Profi-Bereichs selbstverständlich, eben nicht nur ums Ergebnis, sondern auch um den Spielspaß. Viele interessante Eröffnungen werden z.B. heute von Topleuten nicht mehr gespielt, weil sie mehr Risiko in sich bergen ohne größere Chancen zu bieten. Das ist vom wirtschaftlichen Standpunkt natürlich logisch und verständlich, raubt uns aber die ein oder andere unterhaltsame Partie.
Allein schon deswegen werden die alten Meister auch in hundert Jahren noch gern nachgespielt werden. Also mein Wunsch an den Chef-Analytiker: Ruhig noch mehr unkorrekte Spiele wie dieses von den Spielmännern, Retis, Tartakowers und Aljechins der Welt.
Vabanque - 04. Aug '14
Inkorrekte Partien gibt es sicherlich genug, aber ob sie alle so interessant sind wie diese hier, und ob inkorrekte Partien auf die Dauer so viel Befriedigung geben, mag auch bezweifelt werden.
Ich bin auch nicht sicher, ob die heutigen Partien unbedingt so viel korrekter sind. Was die Eröffnungen betrifft, so hast du da sicher Recht, aber werden Mittel- und Endspiel heute wirklich korrekter gespielt als dazumal? Das müsste man alles genau untersuchen. Wie gesagt, ich habe da so meine Zweifel.
Hat Carlsen eine bessere Endspieltechnik als Capapblanca oder Fischer? Kann Aronian Kombinationen weiter und präziser berechnen als Aljechin?
Ich bin auch nicht sicher, ob die heutigen Partien unbedingt so viel korrekter sind. Was die Eröffnungen betrifft, so hast du da sicher Recht, aber werden Mittel- und Endspiel heute wirklich korrekter gespielt als dazumal? Das müsste man alles genau untersuchen. Wie gesagt, ich habe da so meine Zweifel.
Hat Carlsen eine bessere Endspieltechnik als Capapblanca oder Fischer? Kann Aronian Kombinationen weiter und präziser berechnen als Aljechin?
Kellerdrache - 04. Aug '14
Nein, im Schnitt sind heutige Partien nicht unbedingt korrekter. Was ich eher sagen wollte ist, dass im professionellen Bereich (also von Leuten die davon leben wollen/müssen) heute generell noch ergebnisorientierter gespielt wird. Man macht eben auch häßliche Züge wenn es zu einem einfacheren Sieg führt als eine verwegene Kombination.
Was Carlsens Endspielfähigkeiten anbetrifft traue ich mir kein Urteil zu. Bisher hab ich allerdings noch von keinem Endspielspezialisten gehört, der ihn in diesem Bereich über Capablanca oder Fischer ansiedelte. Jeder Spieler , der aus den Spielern seiner Generation herausragt, wird tendenziell überschätzt. Carlsens Karriere ist bislang einfach zu kurz um ihn mit Größen der Vergangenheit zu vergleichen.
Letztendlich sind diese Vergleiche zwischen historischen Personen/aktuellen Spielern ohnehin müßig, denn für Leute wie uns gibt es in jedem Fall genug zu lernen.
Was Carlsens Endspielfähigkeiten anbetrifft traue ich mir kein Urteil zu. Bisher hab ich allerdings noch von keinem Endspielspezialisten gehört, der ihn in diesem Bereich über Capablanca oder Fischer ansiedelte. Jeder Spieler , der aus den Spielern seiner Generation herausragt, wird tendenziell überschätzt. Carlsens Karriere ist bislang einfach zu kurz um ihn mit Größen der Vergangenheit zu vergleichen.
Letztendlich sind diese Vergleiche zwischen historischen Personen/aktuellen Spielern ohnehin müßig, denn für Leute wie uns gibt es in jedem Fall genug zu lernen.
Vabanque - 04. Aug '14
Ja, das Spiel ist heute im professionellen Bereich viel pragmatischer geworden. Aljechin hatte mit seinem Schach den an sich selbst gesetzten Anspruch, Kunstwerke zu schaffen, und suchte immer den schönsten Weg zum Sieg, statt den einfachsten.
Aber bereits Fischer war Pragmatiker. Trotzdem schuf er eine Vielzahl auch in ästhetischer Hinsicht äußerst attraktiver Partien.
Schon Nimzowitschs Züge waren dazumal als hässlich verschrieen, heute sieht man das in der Regel ganz anders. Petrosians Stil wurde generell als unattraktiv bezeichnet, auch diesen Standpunkt kann man heute beim Nachspielen seiner Partien nicht mehr so ganz nachvollziehen. Vielleicht werden die 'hässlichen' Züge der heutigen Spitzenspieler auch in 50 oder 100 Jahren mal als extrem ästhetisch gelten? Man weiß es nicht.
Aber bereits Fischer war Pragmatiker. Trotzdem schuf er eine Vielzahl auch in ästhetischer Hinsicht äußerst attraktiver Partien.
Schon Nimzowitschs Züge waren dazumal als hässlich verschrieen, heute sieht man das in der Regel ganz anders. Petrosians Stil wurde generell als unattraktiv bezeichnet, auch diesen Standpunkt kann man heute beim Nachspielen seiner Partien nicht mehr so ganz nachvollziehen. Vielleicht werden die 'hässlichen' Züge der heutigen Spitzenspieler auch in 50 oder 100 Jahren mal als extrem ästhetisch gelten? Man weiß es nicht.
Hasenrat - 04. Aug '14
Was mich grundsätzlich interessieren würde, wenn man immer so liest das und das sei "eindeutig Petrosjans Handschrift", oder "unverkennbar Tal", "so konnte nur er spielen", "das war ganz typisch Fischer" usf., wäre dabei, ob man, vielmehr ein Experte, aus tausend zufällig ausgewählten Meisterpartien nicht weil man sie alle auswendig gelernt hat, sondern nur aufgrund einer Zugfolge im frühen Mittelspiel, ganz klar erkennen und bezeichnen könnte, diese Partie wurde von dem und dem gespielt, ganz klar, weil es eindeutig dieser und dieser individuelle Stil, diese Handschrift ist, der Fingerabdruck gewissermaßen. Das erscheint mir schwer begreiflich. Ich würde mir vielleicht zutrauen eine Partie in Eröffnung und Mittelspiel aus dem 17. Jh. und eine von heute gerade mal zeitlich auseinanderzuhalten ..., aber auch noch einen individuellen Stil? Unfassbar!
Gab es mal so eine Wette?
Gab es mal so eine Wette?
Hasenrat - 04. Aug '14
Müsste es nicht im gegenwärtigen Zeitalter des Computerschachs möglich sein, DIE Fischerpartie schlechthin, z. B., zu generieren. Der Durchschnitt aller seiner Partien, im Zusammenspiel mit dem Durchschnitt aller seiner Gegner. Die am häufigsten gewählte Eröffnung, Variante, Entgegnung u. Reaktion usf. Wo das Material dann zwangsläufig Lücken hätte, weil nie so vorgekommen, in der Fortsetzung, eine Variantensackgasse, müssten dann die engines einspringen, um "im Geist" von Fischer weiterzuspielen und auf eine "Original"-Fischer-Spur zurück einzuschwenken. Wäre es möglich so eine Ideal-Fischer-Partie zu generieren, dann hätte man doch den Fischerstil herausdestilliert, oder nicht?
Ich bin manchmal bereitwillig wissenschafts-, fortschritts- und machbarkeitsgläubig.
Ich bin manchmal bereitwillig wissenschafts-, fortschritts- und machbarkeitsgläubig.
Kellerdrache - 05. Aug '14
Ich glaube da ja nicht dran. Es ist zwar sicher so, dass manche Spieler bestimmte Vorlieben haben (Immer die gleichen Eröffnungen, Hang zu positionellen Qualitättsopfern usw.), d.h. aber ja nicht, dass sie a) immer so spielen und b) nicht auch andere mal dasselbe machen.
Colle war z.B. bekannt für seine Vorliebe für das Läuferopfer auf h7. Trotzdem gibt es auch genug Partien von ihm, die ohne Lxh7 auskommen. Petrosjan hatte eine Vorliebe für positionelle Qualitätsopfer, ist aber bestimmt nicht der einzige der so etwas spielt.
Ich denke nicht, dass jemand z.B. an einem Endspiel erkennen kann ob das jetzt von Carlsen, Cabaplanca oder Karpov gespielt wurde.
Colle war z.B. bekannt für seine Vorliebe für das Läuferopfer auf h7. Trotzdem gibt es auch genug Partien von ihm, die ohne Lxh7 auskommen. Petrosjan hatte eine Vorliebe für positionelle Qualitätsopfer, ist aber bestimmt nicht der einzige der so etwas spielt.
Ich denke nicht, dass jemand z.B. an einem Endspiel erkennen kann ob das jetzt von Carlsen, Cabaplanca oder Karpov gespielt wurde.
Vabanque - 05. Aug '14
Ich denke, an den Eröffnungen kann man einen Spieler noch am ehesten erkennen. Oder vielleicht auch daran, wie er in verwickelten, unklaren Situationen reagiert. Ob er versucht, das Spiel in geordnete Bahnen zu lenken oder die Verwicklungen noch verstärkt.
Jeder weiß, oder vielmehr glaubt zu wissen, wie Tal gespielt hat. Funkelnde Opfer am laufenden Band, meist intuitiv ohne Durchrechnung. Das sind aber nur die Partien, die man von ihm kennt und liebt. Aber spielt man mal einen ganzen Band Tal-Partien durch, so finden sich da tatsächlich auch Partien völlig ohne jedes Opfer, reine Positionspartien und auch Endspiele. Er konnte das durchaus, auch wenn er diese Stellungstypen nicht bevorzugte. Genauso weiß man ja auch (oder glaubt vielmehr zu wissen), wie Petrosian spielte: In eine scheinbar passiven Stellung lag er auf der Lauer, und auf eine Ungenauigkeit des Gegners hin opferte er die Qualität und verbesserte damit seine Stellung. Auf eine weitere Ungenauigkeit ging er zum Gegenangriff über, der aber dann unwiderstehlich wurde. Tja, nur gibt es auch Petrosian-Partien, die man für Tal-Partien halten könnte. Er spielte zwar nicht absichtlich auf direkten Angriff, aber wenn sich die Stellung so ergab, führte er ihn auch meisterhaft durch.
Colle spielte übrigens auch nicht in jeder Weiß-Partie sein Colle-System :))
Natürlich visierte er im Colle-System das Läuferopfer auf h7 an, aber gegen starke Gegnerschaft kam es meist nicht dazu.
Bei Endspielen hast du sicher Recht, da wüsste ich gar nicht, wie man erkennen sollte, von wem sie gespielt sind.
Ich denke aber, man kann relativ gut die Zeit einschätzen (zumindest grob), in der eine Partie gespielt wurde, wobei das dann auch hauptsächlich wieder über die Eröffnungen geschehen kann. Manchmal täuscht man sich aber auch da, allerdings wird man sich da nicht gleich um 100 Jahre verschätzen.
Jeder weiß, oder vielmehr glaubt zu wissen, wie Tal gespielt hat. Funkelnde Opfer am laufenden Band, meist intuitiv ohne Durchrechnung. Das sind aber nur die Partien, die man von ihm kennt und liebt. Aber spielt man mal einen ganzen Band Tal-Partien durch, so finden sich da tatsächlich auch Partien völlig ohne jedes Opfer, reine Positionspartien und auch Endspiele. Er konnte das durchaus, auch wenn er diese Stellungstypen nicht bevorzugte. Genauso weiß man ja auch (oder glaubt vielmehr zu wissen), wie Petrosian spielte: In eine scheinbar passiven Stellung lag er auf der Lauer, und auf eine Ungenauigkeit des Gegners hin opferte er die Qualität und verbesserte damit seine Stellung. Auf eine weitere Ungenauigkeit ging er zum Gegenangriff über, der aber dann unwiderstehlich wurde. Tja, nur gibt es auch Petrosian-Partien, die man für Tal-Partien halten könnte. Er spielte zwar nicht absichtlich auf direkten Angriff, aber wenn sich die Stellung so ergab, führte er ihn auch meisterhaft durch.
Colle spielte übrigens auch nicht in jeder Weiß-Partie sein Colle-System :))
Natürlich visierte er im Colle-System das Läuferopfer auf h7 an, aber gegen starke Gegnerschaft kam es meist nicht dazu.
Bei Endspielen hast du sicher Recht, da wüsste ich gar nicht, wie man erkennen sollte, von wem sie gespielt sind.
Ich denke aber, man kann relativ gut die Zeit einschätzen (zumindest grob), in der eine Partie gespielt wurde, wobei das dann auch hauptsächlich wieder über die Eröffnungen geschehen kann. Manchmal täuscht man sich aber auch da, allerdings wird man sich da nicht gleich um 100 Jahre verschätzen.
Hasenrat - 05. Aug '14
Und eben angesichts dieses dokumentierten Partienfundus' eines Spielers müsste man diesen Spieler, indem man alles durch die Rechenmaschine jagt und auswertet, nach Wahrscheinlichkeiten, wie er immer gespielt hat und neigungsgemäß spielen wird und so fort, doch restlos durchleuchten und letztlich berechnen, ausrechnen können.
In meinen schwachen Momenten zweifel ich hartnäckig an der vielbeschworenen 'Unendlichkeit des Schachs', am unerschöpflichen Variantenreichtum (mathematisch mag es ja stimmen, mehr mögliche regelkonforme Spielstellungen als Atome im Weltall usf., aber realistisch??). Zwar belehrt mich jede neue Partie, die ich erlebe, so banal und ausgetreten mir auch manches oft gesehene Stellungsmuster anfangs erscheinen mag, praktisch eines Besseren, aber der Zweifel bleibt.
In meinen schwachen Momenten zweifel ich hartnäckig an der vielbeschworenen 'Unendlichkeit des Schachs', am unerschöpflichen Variantenreichtum (mathematisch mag es ja stimmen, mehr mögliche regelkonforme Spielstellungen als Atome im Weltall usf., aber realistisch??). Zwar belehrt mich jede neue Partie, die ich erlebe, so banal und ausgetreten mir auch manches oft gesehene Stellungsmuster anfangs erscheinen mag, praktisch eines Besseren, aber der Zweifel bleibt.
pirc_ - 05. Aug '14
nun ich denke wenn es gehen würde, hätten schlaue programmierer dies schon in einer ihrer wunderblechbüchsen umgesetzt...also eine houdini-stufe wo man einstellen kann: spiele wie fischer, Kasparow, Vabanque, Tal oder so....es wäre ja auch vom grossen nutzen, wenn man sich auf Gegner vorbereitet...
also wenn ich mal gegen anand spielen sollte, würde ich mir dann das Programm kaufen, einstellen es soll wie anand spielen...und dann schlag ich ihn ;-)
also wenn ich mal gegen anand spielen sollte, würde ich mir dann das Programm kaufen, einstellen es soll wie anand spielen...und dann schlag ich ihn ;-)
Hasenrat - 05. Aug '14
Na ja ... :-D
Bis zur Serienreife für Otto Normalverbraucher ..., da fließt wohl viel Wasser die Wupper runter ..., und selbst für den Prototypen fehlen Wille, Rechnerleistung und Kapital, unter'm Strich hinreichendes Interesse, schätz ich mal.
Bis zur Serienreife für Otto Normalverbraucher ..., da fließt wohl viel Wasser die Wupper runter ..., und selbst für den Prototypen fehlen Wille, Rechnerleistung und Kapital, unter'm Strich hinreichendes Interesse, schätz ich mal.
Hasenrat - 05. Aug '14
Ich meine übrigens irgendwo im Netz mal einen Anbieter gesehen zu haben, wo man die dortigen "Daffys", "Gonzales" und so tatsächlich einstellen kann nach Stilen bekannter Meister der Geschichte. Wahrscheinlich war da bloß das entsprechende Eröffnungsrepertoire hinterlegt, und offensiv/defensiv ...
pirc_ - 05. Aug '14
nun hier liest sicher ein R2D2 mit der diese frage beantworten kann...ich kenn mich da so gar nicht aus ....auf der Enterprise ginge es im holodeck sicherlich ;-)
Hasenrat - 05. Aug '14
Aahh, das Holodeck, ja ...! Das ist ein Traum! Seufz ...
Vabanque - 05. Aug '14
Auf einem meiner alten Rechner hatte ich tatsächlich mal ein Schachprogramm, wo man angeblich den Stil einiger Meister einstellen konnte, soweit ich mich erinnern kann, waren Tal, Fischer, Kasparov und Polgar dabei ... aber ich vermute ähnlich wie du, dass es hauptsächlich über das Eröffnungsrepertoire läuft, und dann noch über gewisse Parameter, die man bei den meisten Programmen eh einstellen kann, z.B. ob Material oder Positionsvorteile stärker gewichtet werden sollen. Es ist klar, wenn das Programm aktive Figurenposition über Material stellt, dann ist es bereit zu opfern, und schon haben wir Tal oder Polgar ... wenn es Material über Position stellt, nimmt es Gambite an und spielt wie Korchnoi oder Steinitz ;)
pirc_ - 05. Aug '14
R2D2 iss da ;-)...und den kleinen scherz bei meiner aufzählung hat er überlesen......:-)))
Beule - 06. Aug '14
"Pirc schlägt Anand" ist ja nun auch wirklich leicht zu übersehen...rechnet ja keiner mit :o)))
Vabanque - 06. Aug '14
Ich glaube eher, der Scherz war, dass Vabanque in der Aufzählung vorkommt :))
pirc_ - 06. Aug '14
zwinker