Kommentierte Spiele
Große Partien ... (XXXIV): Spielmann-Eliskases 1932
Vabanque - 01. Jul '14
Der österreichische GM Erich Eliskases (1913-1997) war in den 30er Jahren einer der stärksten Spieler der Welt und galt als Anwärter auf die Weltmeisterschaft. Generell pflegte Eliskases einen mehr positionellen Stil, aber in der nachfolgenden Partie kann davon nicht die Rede sein; man könnte eher von einer reinen Kombinationspartie sprechen.
Spielmann greift wie wild an und bricht alle Brücken hinter sich ab; Eliskases hat alle Hände voll zu tun, den im Grunde unsoliden Angriff von Spielmann abzuwehren. Er tut es auf derart beeindruckende Weise, dass eine Reihe von renommierten Schach-Autoren (Chernev, Fine, Tartakower, Kmoch, Soltis) sogar von einer der größten Partien aller Zeiten gesprochen haben. Heute scheint die Partie allerdings vergessen zu sein, und es ist nun an dem geneigten Leser zu entscheiden, ob ich sie zu Recht hier wieder ins Rampenlicht rücke. Ich habe meine Theorie darüber, warum diese Partie kaum mehr bekannt ist, aber vielleicht entwickeln die Leser ja ihre eigenen Ideen dazu, und ich wäre gespannt zu hören, ob sie sich mit den meinigen decken.































PGN anzeigen
Spielmann greift wie wild an und bricht alle Brücken hinter sich ab; Eliskases hat alle Hände voll zu tun, den im Grunde unsoliden Angriff von Spielmann abzuwehren. Er tut es auf derart beeindruckende Weise, dass eine Reihe von renommierten Schach-Autoren (Chernev, Fine, Tartakower, Kmoch, Soltis) sogar von einer der größten Partien aller Zeiten gesprochen haben. Heute scheint die Partie allerdings vergessen zu sein, und es ist nun an dem geneigten Leser zu entscheiden, ob ich sie zu Recht hier wieder ins Rampenlicht rücke. Ich habe meine Theorie darüber, warum diese Partie kaum mehr bekannt ist, aber vielleicht entwickeln die Leser ja ihre eigenen Ideen dazu, und ich wäre gespannt zu hören, ob sie sich mit den meinigen decken.
Rudolf Spielmann Erich Eliskases Match | x | 1932 | D31 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 d5 2. Sf3 e6 3. c4 c6 4. Sc3 xc4 5. e4 Spielmann führt hier einen Vorläufer des Tolusch-Geller-Gambits (das nach 1. d4 d5 2. c4 c6 3. Sf3 Sf6 4. Sc3 dxc4 5. e4 entstehen kann) in die Turnierpraxis ein. Schwarz kann nun den Gambitbauern verteidigen, muss dafür aber eine gewisse Einengung im Zentrum und am Königsflügel in Kauf nehmen, worauf Weiß einen Angriff aufzubauen hofft. Die Spielweise gilt nicht als korrekt, bietet in der Praxis jedoch ziemlich gute Chancen. Solide wäre hier 5. a4, womit Weiß verhindert, dass Schwarz den Gambitbauern hält. b5 6. e5 Verhindert Sf6 und ermöglicht ein späteres Se4, überlässt dem Schwarzen aber das Feld d5. Im Fall des erwähnten Tolusch-Geller-Gambits, wo statt e6 der Zug Sf6 geschehen ist, würde e4-e5 im Gegensatz zur Partie mit Tempo erfolgen. Lb7 7. Le2 Se7 8. Se4 Sd5 9. O-O Sd7 10. Sfg5 Le7 11. f4?! Die folgende forsche Aktion hätte gegen einen weniger gewaltigen Gegner vermutlich gefruchtet. 11... h6 wäre jetzt jedenfalls schlecht wegen 12. Sxe6 fxe6 13. Lh5+ Kf8 14. f5, und der schwarze König fühlt sich sehr unwohl. g6 12. f5 Ab jetzt muss Schwarz genau spielen. Auf 12... gxf5 hatte der listige Spielmann nämlich die glänzende Wendung 13. Sxe6! fxe6 14. Lh5+ Kf8 15. Lh6+ Kg8 16. Dg4+!! fxg4 17. Lf7 matt geplant! xf5 13. e6 xe6 14. Sxe6 Das sieht sehr gefährlich für Schwarz aus, dessen König nun nicht rochieren kann. Db6 Aber nun zeigt es sich, dass Weiß um eine gute Fortsetzung verlegen ist. Mit 15. Sg7+ Kd8 würde er den schwarzen König nur in Sicherheit treiben, und auf das scheinbar brillante 15. Txf5!? (der Turm darf wegen Lh5# nicht genommen werden) ignoriert Schwarz den Turm und spielt c5!, worauf der Se6 hängt. Nach 16. Sg7+ nebst Turmrückzug verlöre Weiß die Initiative und damit wohl auch die Partie. Deswegen erfindet Spielmann nun noch eine äußerst geistreiche Verzweiflungskombination, mit der er tatsächlich auf völlig originelle Weise die schwarze Dame fängt, letzten Endes aber zu viele Tempi verliert und damit in eine Verluststellung gerät. 15. a4!? xe4! Schwarz lässt sich auf die weiße Kombination ein, weil er erkannt hat, dass er sie widerlegen kann. 16. a5 Da6 Ein anderes Feld gibt es nicht für die schwarze Dame. Sie ist nun dort eingekerkert und wird letztlich erobert werden. 17. Dc2? Verliert. Es scheint, dass Weiß mit 17. Sg7+ Kd8 18. Se6+ Kc8 (Schwarz weicht dem Dauerschach aus) 19. Lg4 h5 20. Lh3 nebst Tf7 Chancen behalten hätte, im Spiel zu bleiben. Diese Möglichkeit scheint bisher niemand beachtet zu haben. S7f6 Hier musste Schwarz genau berechnen, dass die folgende Kombination von Weiß nicht zum ersehnten Ziel führt. 18. Txf6 Scheinbar stark, ja sogar entscheidend; denn Schwarz darf nicht mit dem Springer zurücknehmen wegen Sc7+ und Damengewinn; das (erzwungene) Wiedernehmen mit dem Läufer lässt aber das Feld c5 für den weißen Springer frei. Lxf6 Freilich kann sich Weiß jetzt noch nicht mit Sc5 ins gemachte Bett legen, da sich dieses nach Lxd4+ schnell als Totenbett für den Springer erweisen würde. 19. Dxe4 Aber so deckt Weiß d4 und droht mit seinem Springer damengewinnende Abzugsschachs. Kf7! Das ist tatsächlich der einzige Gewinnzug. 20. Sc5 Weiß hat sein Ziel, die Eroberung der schwarzen Dame, endlich erreicht; aber Schwarz hat weiter gerechnet. Er übernimmt jetzt den Angriff; und dieser Angriff wird tödlich sein. Tae8 21. Df3 Darauf hatte sich Weiß noch verlassen: wegen der Fesselung kann Schwarz nicht Lxd4+ spielen. Txe2! Aber hier darf Weiß nicht zurückschlagen, da dann die Fesselung des Lf6 aufgehoben wäre. 22. Sxa6 Te1+ 23. Kf2 The8 24. Sc5 Lc8 Betrachtet man sich jetzt die entstandene Stellung, so erkennt man, dass Schwarz mit Turm, Läufer und Bauer etwa ausreichendes Material für die Dame erhalten hat. Seine Figuren spielen aber zusammen und stehen alle auf guten Plätzen, während die weißen Streitkräfte völlig unkoordiniert sind. Weiß kann nicht mal seinen Damenläufer ziehen. Diesem Umstand soll sein nächster Zug abhelfen, der jedoch den schwarzen c-Bauern frei macht. 25. b4 Kg8 Entfesselt den Lf6. 26. Lb2 T1e3 27. Dd1 Das einzige Feld für die Dame. c3 28. Lc1 Stellt Weiß gerade schon die Figuren für die nächste Partie auf? c2! 29. Dxc2 Te2+ 30. Dxe2 Lxd4+ Mit dem Fall des Punktes d4 bricht das weiße Spiel endgültig zusammen. 31. Le3 Txe3 32. Df1 Weiß stellt seine Dame auf das einzige Feld, auf dem sie nicht sofort durch ein Abzugsschach erobert werden kann, aber das ist nutzlos, wie wir gleich sehen werden. Die einzige Möglichkeit, noch ein paar Züge zu spielen, bestand in Dxe3, aber natürlich ist das entstehende Endspiel klar verloren für Weiß, weil Schwarz auch noch den Bauern b4 erobert und dann einen gedeckten Freibauern hat. Ta3+ Weiß gab hier auf, denn nach der forcierten Folge 33. Ke2 Lg4+ 34. Kd2 Txa1 hat die weiße Dame nur das Feld d3, wonach sie durch Td1+ bei überwältigendem schwarzen Materialvorteil verloren geht. Eine Partie abseits jeder Schablone.
Eigenart - 01. Jul '14
Musste spontan an Lajos Portisch denken,der wohl noch lebt. Auch ein sehr starker Spieler und häufig in den Kandidatenturnieren. Der ganz grosse Durchbruch gelang aber nicht. Wäre auch ein Kandidat hier für elme Partie. Danke für die Serie
Eigenart - 01. Jul '14
Gab ja hier schon Partie Kasparov Portisch 1983. wurde also schon gewürdigt.
cutter - 01. Jul '14
Wahnsinn!
Eine tolle Partie.
Danke.
cutter
Eine tolle Partie.
Danke.
cutter
Vabanque - 01. Jul '14
Ja, aber mit Verlustpartie ;)
Portisch lebt tatsächlich noch, aber schachliche Aktivitäten von ihm in jüngerer Vergangenheit sind mir nicht bekannt.
Der Vergleich mit Eliskases ist durchaus interessant. Beides unauffällige Persönlichkeiten mit ebenso unauffälligem Spielstil, aber eben sehr sehr stark, nur nicht ganz ausreichend zu den allerhöchsten Errungenschaften. Irgendwie schade.
Ich schau mal, ob ich eine angemessene Portisch-Gewinnpartie finde!
Portisch lebt tatsächlich noch, aber schachliche Aktivitäten von ihm in jüngerer Vergangenheit sind mir nicht bekannt.
Der Vergleich mit Eliskases ist durchaus interessant. Beides unauffällige Persönlichkeiten mit ebenso unauffälligem Spielstil, aber eben sehr sehr stark, nur nicht ganz ausreichend zu den allerhöchsten Errungenschaften. Irgendwie schade.
Ich schau mal, ob ich eine angemessene Portisch-Gewinnpartie finde!
Eigenart - 02. Jul '14
Larsen Portisch 1970? Nur 21 Züge für Gewinn
LucidNonsense - 08. Jul '14
Wunderschönes Ding, das ich noch nie gesehen hatte.
Danke.
Aber so beim flüchtigen Nachspielen ein Gedanke: hat Eliskases das wirklich alles gesehen (danach klingen Deine Kommentare so ein bischen)? Natürlich konnten (und können) solche Kaliber sehr weit rechnen und viel mehr sehen als ich in meinem ganzen Leben. Mein Eindruck war aber eher, dass so ungefähr ab f4 beide einfach gute Züge spielen könnten (so mit 4-5 Zügen Rechenhorizont) und damit die Partie so fortsetzen, wie sie ja gekommen ist. Dass Eliskases bei 16 ... Db6 wirklich bis zum 24. gerechnet hat, glaub ich einfach nicht - dazu gibt es einfach bei jedem Zug zuviele Kandidaten in dieser wunderschönen Partie.
Danke.
Aber so beim flüchtigen Nachspielen ein Gedanke: hat Eliskases das wirklich alles gesehen (danach klingen Deine Kommentare so ein bischen)? Natürlich konnten (und können) solche Kaliber sehr weit rechnen und viel mehr sehen als ich in meinem ganzen Leben. Mein Eindruck war aber eher, dass so ungefähr ab f4 beide einfach gute Züge spielen könnten (so mit 4-5 Zügen Rechenhorizont) und damit die Partie so fortsetzen, wie sie ja gekommen ist. Dass Eliskases bei 16 ... Db6 wirklich bis zum 24. gerechnet hat, glaub ich einfach nicht - dazu gibt es einfach bei jedem Zug zuviele Kandidaten in dieser wunderschönen Partie.
Kellerdrache - 09. Jul '14
Das ist natürlich immer die Frage ob jede tolle Partie von vorne bis hinten durchgerechnet wurde. Als Kommentator kann man eigentlich nur vermuten, da man ja den Spielern auch nachträglich nicht in den Kopf gucken kann.
Zum einen ist ja bekannt dass es Spieler gibt und gab, die auch mal spekulative Opfer gespielt haben. So nach dem Muster: Wenn ich auf h7 reinhaue muß der König raus, ich kann mit Dame und Springer nachsetzten, die e-Linie ist auch mir - also muß das eigentlich gehen.
Zum anderen denke ich schon, dass Spieler deren Lebensunterhalt vom Turniererfolg abhängt sich weniger bereitwillig auf Intuition verlassen als der durchschnittlich denkfaule Amateur. Eine ungerechtfertigte Kombination kann da schon mal den Turniersieg und den ein oder anderen Tausender weniger bedeuten. Also ich würde dann doch lieber versuchen konkret zu rechnen.
Zum einen ist ja bekannt dass es Spieler gibt und gab, die auch mal spekulative Opfer gespielt haben. So nach dem Muster: Wenn ich auf h7 reinhaue muß der König raus, ich kann mit Dame und Springer nachsetzten, die e-Linie ist auch mir - also muß das eigentlich gehen.
Zum anderen denke ich schon, dass Spieler deren Lebensunterhalt vom Turniererfolg abhängt sich weniger bereitwillig auf Intuition verlassen als der durchschnittlich denkfaule Amateur. Eine ungerechtfertigte Kombination kann da schon mal den Turniersieg und den ein oder anderen Tausender weniger bedeuten. Also ich würde dann doch lieber versuchen konkret zu rechnen.