Kommentierte Spiele

Gewinnen mit Caro Kann: van Foreest - Anand

Kellerdrache - 27. Jan '19
Um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, das bei Caro-Kann höchstens der Weißspieler gewinnen kann bringe ich hier eine aktuelle Partie aus dem diesjährigen Turnier in Wijk aan Zee. Das Turnier endet übrigens heute (27.1). Wer also sehen möchte wie die beiden Herren abschneiden kann einen Blick auf www.tatasteelchess.com/# werfen.


Der 19jährigen Holländer begeht ein paar positionelle Ungenauigkeiten, die von dem erfahrenen Anand umsichtig ausgenutzt werde. Auch wenn die vorliegende Partie eher positioneller Natur ist und ohne taktische Glanzlichter auskommt so hoffe ich doch ihr habt euren Spaß daran.

Jorden van Foreest Viswanathan Anand Tata Steel Masters | Wijk aan Zee NED | 1 | 2019.01.12 | B13 | 0:1
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 c6 2. d4 d5 3. xd5 xd5 4. Ld3 Sf6 5. c3 eine Ungenauigkeit. In der Regel spielt Schwarz zuerst Sc6 mit Angriff auf d4, was dann mit c3 beantwortet wird. Auf Sf6 folgt dann Lf4 womit man sich Einfluß auf das in dieser Variante wichtige Feld e5 sichert. Anand hat lediglich die Reihenfolge der Springerzüge getauscht. Sein Gegner versäumt es dasselbe mit seinen Antworten zu tun. Dc7 Sofort nimmt Anand das positionelle Geschenk an und sichert sich die Diagonale h2-b8. Er hat damit im Kampf um e5 deutlich bessere Karten als Schwarz sonst hat. 6. h3 nachdem Lf4 verhindert ist will Weiß wenigstens mit Sf3 Einfluß auf e5 nehmen, ohne sich mit der üblichen Fesselung durch Lg4 beschäftigen zu müssen. g6 um mit Lf5 den starken Ld3 abtauschen zu können 7. Sf3 Lf5 8. Se5 Sc6 9. Lf4 Weiß ist doch noch mit dem Läufer auf das Wunschfeld f4 gekommen Db6 10. Lxf5 ein zweischneidiger Zug. Man macht zwar dem Gegner einen Doppelbauern, aber man öffnet auch eine Linie auf dem Flügel wohin man vermutlich rochieren wird. xf5 11. Sd3 deckt b2, zieht zu diesem Zweck aber eine der am aktivsten stehenden Figuren zurück. Aber auch das Decken mit der Dame, von c2 oder e2 aus hat seine Schwächen. Von e2 aus behindert man die Entwicklung des Damenspringers, da Sbd2 die Wirkung der Dame unterbrechen würde. Nach Dc2 stünde die weiße Königin dagegen im Schußfeld eines Angriffs über die halboffene c-Linie e6 12. Sd2 Tg8 Anand verliert keine Zeit auf den Nachteil des Läufertauschs auf f5 hinzuweisen 13. O-O Ein bisschen gefährlich, doch auch bei langer Rochade wäre der weiße König wegen der c-Linie nicht sicherer O-O-O 14. a4 Spiele mit entgegengesetzten Rochaden haben oft etwas von einem Wettrennen an sich. Man darf keine Zeit verlieren und sollte sofort den Angriff auf den gegnerischen König einleiten Se4 greift c3 an. Ansonsten könnte Weiß sofort den Angriff mit b4, a5 usw. fortführen. 15. Tc1 Ld6 die Chance einen schwachen Läufer gegen die aktivste Figur des Weißen zu tauschen lässt Anand sich nicht entgehen 16. Lxd6 Sxd6 17. b4 bis hierhin hat Weiß ja seinen Angriff so geführt wie man es erwarten würde Kb8 18. De2 Diesen Zug finde ich nicht überzeugend. Er leistet nichts um den Druck am Damenflügel zu verstärken. Mir hätte ein Springerzug wie Sc5 besser gefallen. Dc7 Mit diesem und dem nächsten Zug entfernt Anand die Angriffsziele der vorgerückten weißen Bauern. Gleichzeitig gruppiert er sie für einen Königsangriff um. Die Dame z.B. schaut von c7 aus bis runter nach h2 19. De3 Se7 20. f3 der Zug nimmt Schwarz das schöne Feld e4 für seinen Springer, aber Weiß hat jetzt auch eine deutliche Schwäche der schwarzfeldrigen Felder um den König herum Sg6 21. Se5 f4 Zuerst einmal wird natürlich die Dame angegriffen. Langfristig entscheidender ist aber, dass dadurch die ungünstige Bauernstellung am Königsflugel festgelegt wird und der Sc6 jetzt einen Weg über f5 zum Ort des eigentlichen Geschehens hat 22. De1 Sf5 23. Sxg6 Txg6 selbstverständlich hat Anand es nicht erwogen die schöne g-Linie mit hxg6 zu schliesen 24. Tf2 Beide Seiten wissen genau, dass der Angriff jetzt über die halboffene g-Linie läuft Tdg8 25. c4 van Foreest möchte daran erinnern, dass er ja auch noch etwas droht Se3 der Bauer g2 wird ein drittes Mal angegriffen und kann nicht noch einmal gedeckt werden. Weiß einzige Fortsetzung ist daher der Gegenangriff 26. xd5 Sxg2 27. De5
27. Txc7 verliert ganz einfach einen Turm Sxe1+ 28. Kf1 Tg1+ 29. Ke2 Kxc7
Dxe5 28. xe5 Se1+
Se1+ 29. Kf1 Sd3 und jetzt z.B. 30. Tc4 Tg1+ 31. Ke2 Sxf2 32. Kxf2 T8g2#
PGN anzeigen
[Event "Tata Steel Masters"]
[Site "Wijk aan Zee NED"]
[Date "2019.01.12"]
[Round "1"]
[White "Jorden van Foreest"]
[Black "Viswanathan Anand"]
[Result "0-1"]
[ECO "B13"]
[WhiteElo "2612"]
[BlackElo "2773"]
[PlyCount "56"]
[EventDate "2019.01.11"]
[SourceDate "2017.03.28"]

1. e4 c6 2. d4 d5 3. exd5 cxd5 4. Bd3 Nf6 5. c3 {eine Ungenauigkeit. In der
Regel spielt Schwarz zuerst Sc6 mit Angriff auf d4, was dann mit c3
beantwortet wird. Auf Sf6 folgt dann Lf4 womit man sich Einfluß auf das in
dieser Variante wichtige Feld e5 sichert. Anand hat lediglich die Reihenfolge
der Springerzüge getauscht. Sein Gegner versäumt es dasselbe mit seinen
Antworten zu tun.} Qc7 {Sofort nimmt Anand das positionelle Geschenk an und
sichert sich die Diagonale h2-b8. Er hat damit im Kampf um e5 deutlich bessere
Karten als Schwarz sonst hat.} 6. h3 {nachdem Lf4 verhindert ist will Weiß
wenigstens mit Sf3 Einfluß auf e5 nehmen, ohne sich mit der üblichen Fesselung
durch Lg4 beschäftigen zu müssen.} g6 {
um mit Lf5 den starken Ld3 abtauschen zu können} 7. Nf3 Bf5 8. Ne5 Nc6 9. Bf4 {
Weiß ist doch noch mit dem Läufer auf das Wunschfeld f4 gekommen} Qb6 10. Bxf5
{ein zweischneidiger Zug. Man macht zwar dem Gegner einen Doppelbauern, aber
man öffnet auch eine Linie auf dem Flügel wohin man vermutlich rochieren wird.}
gxf5 11. Nd3 {deckt b2, zieht zu diesem Zweck aber eine der am aktivsten
stehenden Figuren zurück. Aber auch das Decken mit der Dame, von c2 oder e2
aus hat seine Schwächen. Von e2 aus behindert man die Entwicklung des
Damenspringers, da Sbd2 die Wirkung der Dame unterbrechen würde. Nach Dc2
stünde die weiße Königin dagegen im Schußfeld eines Angriffs über die
halboffene c-Linie} e6 12. Nd2 Rg8 {
Anand verliert keine Zeit auf den Nachteil des Läufertauschs auf f5 hinzuweisen
} 13. O-O {Ein bisschen gefährlich, doch auch bei langer Rochade wäre der
weiße König wegen der c-Linie nicht sicherer} O-O-O 14. a4 {Spiele mit
entgegengesetzten Rochaden haben oft etwas von einem Wettrennen an sich. Man darf
keine Zeit verlieren und sollte sofort den Angriff auf den gegnerischen König
einleiten} Ne4 {greift c3 an. Ansonsten könnte Weiß sofort den Angriff mit b4,
a5 usw. fortführen.} 15. Rc1 Bd6 {die Chance einen schwachen Läufer gegen die
aktivste Figur des Weißen zu tauschen lässt Anand sich nicht entgehen} 16. Bxd6
Nxd6 17. b4 {
bis hierhin hat Weiß ja seinen Angriff so geführt wie man es erwarten würde}
Kb8 18. Qe2 {Diesen Zug finde ich nicht überzeugend. Er leistet nichts um den
Druck am Damenflügel zu verstärken. Mir hätte ein Springerzug wie Sc5 besser
gefallen.} Qc7 {Mit diesem und dem nächsten Zug entfernt Anand die
Angriffsziele der vorgerückten weißen Bauern. Gleichzeitig gruppiert er sie
für einen Königsangriff um. Die Dame z.B. schaut von c7 aus bis runter nach h2}
19. Qe3 Ne7 20. f3 {der Zug nimmt Schwarz das schöne Feld e4 für seinen
Springer, aber Weiß hat jetzt auch eine deutliche Schwäche der
schwarzfeldrigen Felder um den König herum} Ng6 21. Ne5 f4 {Zuerst einmal wird
natürlich die Dame angegriffen. Langfristig entscheidender ist aber, dass
dadurch die ungünstige Bauernstellung am Königsflugel festgelegt wird und der
Sc6 jetzt einen Weg über f5 zum Ort des eigentlichen Geschehens hat} 22. Qe1
Nf5 23. Nxg6 Rxg6 {selbstverständlich hat Anand es nicht erwogen die schöne
g-Linie mit hxg6 zu schliesen} 24. Rf2 {Beide Seiten wissen genau, dass der
Angriff jetzt über die halboffene g-Linie läuft} Rdg8 25. c4 {
van Foreest möchte daran erinnern, dass er ja auch noch etwas droht} Ne3 {
der Bauer g2 wird ein drittes Mal angegriffen und kann nicht noch einmal
gedeckt werden. Weiß einzige Fortsetzung ist daher der Gegenangriff} 26. cxd5
Nxg2 27. Qe5 (27. Rxc7 {verliert ganz einfach einen Turm} Nxe1+ 28. Kf1 Rg1+
29. Ke2 Kxc7) 27... Qxe5 28. dxe5 Ne1+ (28... Ne1+ 29. Kf1 Nd3 {und jetzt z.B.}
30. Rc4 Rg1+ 31. Ke2 Nxf2 32. Kxf2 R8g2#) 0-1

Vabanque - 27. Jan '19
Schöne Kommentierung, die auf die Pläne beider Seiten genau eingeht, und diesmal sogar fast ganz ohne Varianten auskommt.
Die Partie ist von der Art 'das sieht so einfach und mühelos aus, warum kann ich das nicht auch?' ;-)
Anands Figuren scheinen fast wie von selbst auf günstige Felder zu gelangen, während dies den weißen Figuren überhaupt nicht gelingt. Während der schwarze Angriff mit Siebenmeilenstiefeln voranschreitet, bleibt der weiße Angriff am anderen Flügel im Keim stecken.
Oli1970 - 27. Jan '19
Zuerst habe ich mich gewundert, warum praktisch keine Varianten angegeben sind. Beim Nachspielen wurde dann aber klar, warum - es gibt praktisch keine Sinn ergebenen, weil alle sinnvollen Varianten gleichwertig sind.

Die Eröffnungsvariante von Anand ist insofern interessant, weil das schnelle Dc7 eher nicht gängig ist. Van Foreest hat dennoch alles richtig gemacht, es zeigt sich, dass das Spiel ausgeglichen bleibt. Ich glaube, auch 18. De2 ist erklärbar: Er ist so gut oder schlecht wie jede Alternative. Vielleicht mit Ausnahme von Kh1 - diese Engine-Empfehlung ist für mich die Antwort auf die Frage, die ich mir dort stellte. Warum bleibt der König auf der g-Linie? Andererseits, warum nicht? Unmittelbare Gefahr droht nicht.

Ich hatte 18. Dh5 mit Angriff auf h7 in Erwägung gezogen - und mir dann von der Engine zeigen lassen, wie man die Dame unvermeidbar verliert. Unglaublich, dass ich immer wieder auf solche Dinger reinfalle. Die Variante lautet 18. Dh5 Dc7 19. Dxh7 Th8 20. Dg7 Tdg8 21. Df6 Se8 und Weiß kann nur noch den Turm gegen seine Dame holen. Bei der Untersuchung der Möglichkeiten fiel mir dann auf, dass 18. ... Dc7 hier wohl ein Schlüsselzug ist. Egal, was ich probierte, es wäre immer diese Antwort gekommen.

Dann ging das weiße Spiel auch schon in die Binsen. Während 20. f3 zu den Ungenauigkeiten zu zählen ist, leitet 21. Se5 das Ende ein. Weiß hätte wohl eher seine Verteidigung organisieren müssen, selbst der König bleibt wie paralysiert auf seinem Platz. Der nachfolgende Angriff ist gut nachvollziehbar kommentiert, wie auch die Pläne der Spieler bisher. (Nach 21. ...f4 hätte es übrigens "Sd6" statt "Sc6" heißen müssen; warum hat mein Vorschreiber dies nicht bemängelt? ;-) )

Anand hat sehr präzise gespielt, van Foreest konnte hier nicht mithalten. Schönes Sonntagsvergnügen; eigentlich mag ich die rein positionellen Spiele nicht so gern, die sind eher so Doku als Actionfilm. Aber es hat auch mal was, sich nicht auf so viele Nebenlinien konzentrieren zu müssen. :-)
Vabanque - 27. Jan '19
>>(Nach 21. ...f4 hätte es übrigens "Sd6" statt "Sc6" heißen müssen; warum hat mein Vorschreiber dies nicht bemängelt? ;-) ) <<

Doch, das war mir aufgefallen, nur hatte ich es (weil es so ein unbedeutender Verschreiber war) dann sofort wieder vergessen, so dass ich darüber kein Wort verlor :-)
(Außerdem kann ich ja nicht jedes Mal in den Oberlehrer-Modus gehen)
Hanniball - 29. Jan '19
@Oli1970

sorry ich kann dir nach 17. Zug b4 nicht folgen, wenn du Dc7 als "nicht" gängig einstufst. Es würde mit 18. Kh1...und K b8, 19. Sb3....Se7, 20. Dh5....Sec8, 21.Dxh7...Th8, 22. Dg7....Sb6, 23. a5....Sbc4, 24. Dg3....Tdg8, 25. Df4....Ka8 eine ausgeglichene Partie ergeben
Oli1970 - 29. Jan '19
@Hanniball
Mein „nicht gängig“ bezog sich auf den frühen 5. Zug, in der Eröffnung. Das späte Dc7 habe ich als Schlüsselzug in der Position identifiziert.
Mir ist beim Schreiben gar nicht aufgefallen, dass Dc7 zweimal eine Hauptrolle spielte. :-)
Kellerdrache - 29. Jan '19
ein frühes Dc7 kommt in dieser Variante normalerweise nicht in Frage, weil Weiß ja auf Sf6 in der Regel Lf4 spielt und die Diagonale für Weiß sichert. c3 wird, ähnlich wie im Colle-System, normalerweise erst gespielt wenn d4 angegriffen wird.
Hanniball - 29. Jan '19
@ Kellerdrache

OH....schöner kann man es nicht ausdrücken....