Kommentierte Spiele
Nur ein Jahr später ... (oder: der junge Spassky)
Vabanque - 26. Jun '16
Vor Kurzem zeigte pirc_ hier eine schnelle Verlustpartie von Spassky aus dem Jahre 1948, als der spätere Weltmeister gerade mal 11 Jahre alt war:
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Nun ja, mit 11 war er eben noch nicht so gut, dachte man sich da wohl. Hier zeige ich eine Partie von Spassky, die nur etwa ein Jahr später, nämlich 1949 gespielt wurde. Spassky war damals 12. Die Partie wurde in einem sowjetischen Jugend-Qualifikationsturnier ausgetragen, und wir dürfen mal annehmen, dass Spassky sich damals (für was auch immer) qualifiziert hat.































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Nun ja, mit 11 war er eben noch nicht so gut, dachte man sich da wohl. Hier zeige ich eine Partie von Spassky, die nur etwa ein Jahr später, nämlich 1949 gespielt wurde. Spassky war damals 12. Die Partie wurde in einem sowjetischen Jugend-Qualifikationsturnier ausgetragen, und wir dürfen mal annehmen, dass Spassky sich damals (für was auch immer) qualifiziert hat.
Boris Spassky Avtonomov Soviet Junior Qualifyers | Leningrad | 1949 | D28 | 1:0
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1. d4 d5 2. c4 xc4 Vielleicht ist an dieser Stelle der Umstand interessant, dass Spassky als Jugendlicher das Damengambit bevorzugte und erst später Königsgambit spielte - genau andersherum als bei vielen Spielern! 3. Sf3 Sf6 4. e3 c5 5. Lxc4 e6 6. O-O a6 Bis jetzt alles - auch damals schon - wohlbekannte Theorie des Angenommenen Damengambits. Die beiden jungen Spieler hatten in der Sowjetunions gute Coaches. 7. De2 Man kann den schwarzen Vorstoß b7-b5 mit a2-a4 verhindern oder auch zulassen, wie Spassky es tut. Sc6 8. Sc3 Weiß kann den Bauern d4 hängen lassen; er muss allerdings dessen Isolierung in Kauf nehmen. Der junge Spassky hat keine Angst davor. b5 9. Lb3 xd4 10. Td1 Nun gewinnt Weiß den Bauern leicht zurück. Lb7?! Entwicklung des Königsflügels mit Le7 wäre vordringlicher gewesen. 11. xd4 Sb4? In strategischer Hinsicht ein ausgezeichneter Zug - er zeigt, dass der junge Gegner Spasskys seine Hausaufgaben gemacht hat. Schwarz möchte eine Blockade auf d5 errichten; käme er zu Sbd5, stünde er gut, da dann das Feld vor dem Isolani fest in der Hand des Schwarzen wäre. Das Pech von Schwarz ist, dass der Zug taktisch scheitert. 12. d5!! Klasse! Der junge Spassky gibt einen Bauern, um Schwarz in eine 3-fache (!) Fesselstellung zu zwingen. Nimzowitsch, der schon seiner Zeit vom 'Vorwärtsdrang' jedes Bauern sprach, hätte an dieser Partie seine Freude gehabt. Leider verstarb er schon 15 Jahre vorher, manche behaupten: an Syphillis, andere: an Krebs. Sxd5 13. Lg5! Nun ist Schwarz tatsächlich mit Figurenverlust bedroht, nämlich durch Sxd5, da der e-Bauer und der Sf6 jeweils gefesselt sind. Die dritte der erwähnten 3 Fesselungen ist die des schwarzen Sd5 in gegenwärtiger Stellung. Le7 Es bleibt nichts anderes. 14. Lxf6 xf6 Schwarz ist gezwungen, mit dem Bauern zurückzuschlagen, da nach Lxf6? wiederum der Sd5 verloren ginge wegen der Fesselung des e-Bauern. 15. Sxd5 Lxd5 Verständlich, dass Schwarz Abtausch anstrebt und vor allem seinen schlechten Lb7 tauschen möchte; aber exd5 hätte Weiß vergleichsweise mehr Mühe bereitet, seinen Vorteil umzusetzen. 16. Lxd5 xd5 Dies ist sowieso kein Bauerngewinn, da Weiß sich den Bauern bequem mit z.B. Dd2 wieder holen könnte. Aber der junge Spassky zeigt eine für sein Alter verblüffende Einsicht in die Erfordernisse der Position und spielt viel stärker: 17. Sd4! Von hier aus schielt der Springer vor allem nach f5. Kf8 Schwarz beseitigt die Fesselung auf der e- Linie. Er hätte Sf5 mit Dd7 verhindern können, aber nach Te1 hätte es dennoch gedroht, und dann wäre er um Kf8 ebenfalls nicht herum gekommen. 18. Sf5 h5 Nun erkennt Spasskys junger Gegner, dass sich die weiße Dame mit starker Wirkung auf h5 niederlassen wollte. Aber der Textzug verliert ebenfalls schnell. 19. Txd5! Bereits die Schlusskombination.Die Präzision, mit der er hier seinen Gegner für eigentlich unscheinbare Ungenauigkeiten bestraft, erinnert ganz schon an den späteren, 'echten' Spassky, der wegen der Klarheit und vor allem gnadenlosen Schärfe seines Spiels einer meiner absoluten Lieblingsspieler ist. Dxd5 De8 hätte auch nur noch etwas länger hingehalten. 20. Dxe7+ Kg8 21. Dxf6 Und Weiß droht Matt auf g7 und gleichzeitig Se7+. Schwarz müsste daher die Dame geben. Er zog aber die Aufgabe vor. Eine überzeugende Talentprobe des damals 12-jährigen Spassky, dem ein Jahr vorher noch grobe Einsteller passierten ... so schnelle Fortschritte macht man in diesem Alter, wenn man Begabung besitzt.
Kellerdrache - 26. Jun '16
Sauber! All das mit 12 Jahren !! Da muss man sich ja schämen was man selber so am Brett produziert ;-)). Die Leute die Spasski nur als den Mann kennen der gegen Fischer verloren hat werden ihn nie richtig schätzen können. Auch die Königsgambitpartie die er gegen Fischer bei einer Olympiade (glaube ich) gewann ist ein Meisterwerk an Konsequenz.
Vabanque - 26. Jun '16
In Spassky nur den Mann sehen zu wollen, der gegen Fischer verlor, zeugt schon von sehr beschränktem Schachwissen ... ebenso könnte man in Petrosjan nur den Mann sehen, der gegen Spassky verlor ... und in Capablanca den, der gegen Aljechin verlor.
Spassky war wahrscheinlich der stärkste Spieler der 60er Jahre. Er hatte auch vor dem Wettkampf mit Fischer eine makellose Bilanz gegen Fischer. Erst Anfang der 70er Jahre war Fischer allen überlegen, auch Spassky.
Spassky war wahrscheinlich der stärkste Spieler der 60er Jahre. Er hatte auch vor dem Wettkampf mit Fischer eine makellose Bilanz gegen Fischer. Erst Anfang der 70er Jahre war Fischer allen überlegen, auch Spassky.
Kellerdrache - 27. Jun '16
Natürlich hast du vollkommen Recht mit dem was du zu Spasski schreibst, aber leider ist es wirklich so, dass einige Spieler von Bedeutung nur noch in ihrer Beziehung zu Fischer wahrgenommen werden. Neben Spasski sind das vor allem Taimanov und Larsen. Beides Spieler, die durchaus auch selbst interessant genug sind um sich mit ihnen zu beschäftigen. Na und für Spasski gilt das sowieso. Aus mir unbegreiflichen Gründen kommt aber eben niemand auf die Idee in Tal nur den Spieler zu sehn der gegen Botwinnik verloren hat. Wahrscheinlich blendet Fischers Aura viele der oberflächlicheren Schachfans.
Vabanque - 27. Jun '16
Wahrscheinlich eher Fischers Verrücktheit :)
Genau das, was andere an Fischer zu faszinieren scheint, interessiert mich überhaupt nicht. Ich beurteile ihn allein nach seinen Partien, und finde es deswegen vor allem schade, dass er als Weltmeister gar nicht mehr gespielt hat. Dadurch ist der Schachwelt einiges an großartigen Partien verloren gegangen.
Genau das, was andere an Fischer zu faszinieren scheint, interessiert mich überhaupt nicht. Ich beurteile ihn allein nach seinen Partien, und finde es deswegen vor allem schade, dass er als Weltmeister gar nicht mehr gespielt hat. Dadurch ist der Schachwelt einiges an großartigen Partien verloren gegangen.