Kommentierte Spiele
Michail Tal (III): Tal - Füster 1958
Vabanque - 09. Nov '14
Im dritten Teil der kleinen Tal-Serie zeige ich eine relativ unbekannte Partie, die Tal 1958 im Interzonenturnier von Portoroz gegen den gebürtigen Ungarn Geza Füster, der 1953 nach Kanada emigriert war, spielte.































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Mikhail Tal Geza Fuster Portoroz Interzonal | Portoroz SVN | 9 | 1958.08.19 | B17 | 1:0
8








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6
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4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sc3 xe4 4. Sxe4 Sd7 5. Sf3 Sgf6 6. Sxf6+ Sxf6 7. Lc4 Lf5 Die Falle 7... Lg4?? 8. Lxf7+! nebst Se5+ (mit Bauerngewinn und Zerrupfung der schwarzen Stellung) gilt es hier zu vermeiden. 8. De2 e6 9. Lg5 Le7 Schwarz hat ein grundsolides Abspiel der Caro-Kann-Verteidigung gewählt, das eigentlich eine ruhige Positionspartie erwarten lässt, zumal Weiß bisher auch auf eine Verschärfung des Kampfes verzichtet und sich auf natürliche Entwicklungszüge beschränkt hat. 10. O-O-O Aber hiermit bekundet Tal, dass er gesinnt ist, den schwarzen König zu belästigen, falls dieser nun kurz rochieren sollte. h6 11. Lh4 Se4 Schwarz wagt die kurze Rochade wegen des dann zu erwartenden Bauernsturms am Königsflügel nicht. Stattdessen strebt er Figurentausch an, was als Verteidiger normalerweise eine empfehlenswerte Politik ist. Aber letztlich spielt er damit Tal in die Hände, der nun bereits die erste Überraschung auftischt. 12. g4! Nun kann Schwarz nicht Lxg4 spielen wegen 13. Lxe7 Lxf3 (auf Dxe7 schlägt Weiß einfach den Se4) 14. Dxf3 Dxe7 15. Dxe4 mit Figurengewinn. Aber auch das viel kompliziertere 12... Lxh4 ist ungünstig für Schwarz wegen 13. gxf5 Sxf2 (auf exf5 14. Sxh4 nebst f3 büßt Schwarz wiederum eine Figur ein) 14. fxe6 Sxd1 15. exf7+ nebst Txd1, und für die Qualität hat Weiß eine überwältigende Angriffsstellung. Lh7 Ein kluger Rückzug. 13. Lg3!? Ein Positionsspieler hätte hier wohl Lxe7 nebst Ld3 vorgezogen. Aber Tal hat seine eigenen Ideen. Sxg3 Schwarz hat also den beabsichtigten Figurentausch erreicht. 14. xg3!? Wir haben alle gelernt, mit den Bauern immer zum Zentrum hin zu schlagen (da dies die Bauern aufwertet). Ein Michail Tal aber hat es nicht nötig, sich an solche Lehrbuch-Weisheiten zu halten. Er ist in dieser Stellung der Meinung, dass ihm die durch das Schlagen mit dem f- Bauern entstehende halboffene f-Linie zweckdienlicher sein wird als die halboffene h-Linie (die beim Schlagen mit dem h-Bauern entstünde). Objektiv kann die Richtigkeit seiner Einschätzung weder bewiesen noch widerlegt werden (Schach ist nun einmal keine Mathematik, es sei denn bei Zwangszugfolgen), aber die Partiefortsetzung wird Tal (wie so oft) Recht geben. Dc7 Da die kurze Rochade Schwarz in dieser Stellung nicht geheuer ist, bereitet er die lange vor ... 15. Se5 ... die von Weiß sofort verhindert wird, da dann f7 hinge. Vertreibt Schwarz den lästigen Schimmel nun durch f6, so zieht er sich einfach nach f3 zurück, und der Bauer e6 wird fallen. Ld6 Also wird das Pferd auf andere Weise befragt. 16. h4 Tal zeigt sich an den schwarzen Plänen komplett desinteressiert. Schwarz kann nämlich wieder nicht lang rochieren wegen 16... O-O-O?? 17. Sxf7!, und Dxf7 ist nicht möglich wegen Lxe6+. Und wenn Schwarz jetzt auf e5 tauscht, kann er anschließend nach dxe5 auch nicht lang rochieren, da der weiße Turm dann die d-Linie beherrscht. Trotzdem wäre dies vermutlich noch die beste Fortsetzung für Schwarz gewesen. f6?! Angesichts der Tatsache, dass gute Züge hier schwer zu finden sind, spielt Schwarz einen schlechten, der aber zumindest gut für uns Zuschauer ist, da er Tal Gelegenheit zum Opfern gibt. Der schwarze Zug ist übrigens durchaus geistreich, da Schwarz nach einem Rückzug des weißen Springers lang rochieren und den Bauern e6 mit gutem Spiel geben könnte. Er wäre dann vollständig entwickelt und würde seinen Bauern auf g3 zurückgewinnen. Zumindest scheint sich Schwarz seine Zukunft so vorgestellt zu haben. Tal teilt aber diese Vorstellungen nicht. 17. Lxe6! Reißt den Schwarzen unsanft aus seinen rosigen Zukunftsträumen. Unter Figurenopfer wird die schwarze Rochade nicht mehr zugelassen. Bei geöffneten Zentrallinien verbleibt der schwarze König den Rest seines Lebens in der Mitte, was seine Lebensqualität doch deutlich einschränken wird. xe5 18. xe5 Le7 Schwarz wagt es nicht, auf e5 zu nehmen, was auch noch die e-Linie noch öffnen würde. In der Tat hätte er nach 18... Lxe5 19. Td7! (stärker als The1, wonach Schwarz mit Td8 die Figur noch unter Inkaufnahme eines schlechteren Endspiels zurückgeben könnte) Da5 (um den Le5 gedeckt zu halten; noch schlechter ist zu diesem Zweck 19... Db8 20. Thd1) 20. Txb7 dann wohl keine Überlebensaussichten mehr. 19. Thf1 Die geöffnete d- und f-Linie reichen für die weißen Türme. Die Hauptdrohung ist 20. Lf7+ Kf8 21. Lh5+ Kg8 (Lf6 würde auch nicht mehr viel bringen) 22. Dc4 matt! Schwarz kann den Le6 nicht mit 19... Lg8 befragen wegen 20. Dc4, denn nach dem Läufertausch wäre dann das Matt unvermeidlich. Tf8 20. Txf8+ Lxf8 21. Df3! Nun kann Schwarz nicht auf e5 nehmen wegen Matt auf f7. Aber obwohl der schwarze König nicht aus der Mitte wegkommt, und der Ta8 nicht ins Spiel gebracht werden kann (21... Td8?? 22. Txd8+ und Schwarz wird entweder matt auf f7 oder auf f8), scheint ein unmittelbarer Gewinn von Weiß nicht ersichtlich, und Schwarz besitzt zum Trost für seine schlechte Stellung ja immer noch die Mehrfigur! De7 Greift den Le6 an und soll wohl auch Td8 ermöglichen (da nach Txd8 dann der schwarze König zurücknehmen könnte). 22. Db3 Deckt den Le6 in seiner vorgeschobenen Position und droht Ld7+, wonach Schwarz die Dame nicht gut auf d7 geben könnte, da am Schluss durch Dxb7+ der Ta8 fiele. 22... Td8 geht jetzt wieder nicht, da Weiß 23. Lf7+! Dxf7 24. Txd8+ mit Damengewinn antworten würde (Ke7 25. Td7+!). Tb8 Das erklärt diese schwarze Antwort. Besser war aber b5, denn dass der Turm auf b8 ungünstig steht, wird sich gleich zeigen. 23. Ld7+! Aber nicht 23. Td7? Dc5! (oder Db4), wonach keine weiße Fortsetzung zu sehen ist! Nach dem Textzug muss Schwarz die Dame geben, scheint aber genügend Material dafür zu bekommen. Nur dummerweise ist dieses Material so verstreut aufgestellt, dass er es nicht behalten kann. Dxd7 Kd8 24. Lf5+ mit Rückgewinn der geopferten Figur bei zwei Mehrbauern und anhaltendem Angriff ist ganz offensichtlich verloren. 24. Txd7 Kxd7 Nun aber führt uns Tal vor, was die alleinstehende Db3 als Powerfrau so alles erreichen kann. 25. Df7+ Le7 Sonst fällt dieser Läufer. 26. e6+ Kd8 Die erste Pointe: nach Kd6 27. Df4+ fiele bereits der Turm. Man sieht, warum er auf b8 nicht gut steht. 27. Dxg7 Die zweite Pointe: das einzige Feld für den Läufer ist e4, aber nach Le4 28. De5 gabelt die alleinstehende Dame Turm (man sieht erneut, warum er auf b8 nicht gut steht) und Läufer. Schwarz gab daher auf. Er schien in der ganzen Partie nie wirklich eine Chance gehabt zu haben, und das, ohne dass er etwas Schlimmes getan hätte. So erging es damals vielen Gegnern Tals.
cutter - 09. Nov '14
Unsereins freut sich wenn er Tal-entiert ist. Aber Tal ist ein Meister mit hoher Risikofreude, das macht das Ganze so spannend und verblüffend...
Danke für die schönen Partie
Grüße cutter
Danke für die schönen Partie
Grüße cutter
Kellerdrache - 10. Nov '14
Da geht jedem Angriffsspieler das Herz auf. Tal hat Angriffspotential in Stellungen gesehen, wo andere schon an den heimischen Sessel (nach einem kurzen Remis) gedacht haben.
Und wieder einmal prima kommentiert !
Und wieder einmal prima kommentiert !