Kommentierte Spiele
Die Vergessenen (VIII): Najdorf
Kellerdrache - 02. Nov '16
Der Name Najdorf ist auch heute noch jedem Schachspieler ein Begriff. Hauptsächlich allerdings durch die nach ihm benannte sizilianische Variante, die auch Fischer und Kasparov noch begeistert angewandt haben.
Doch war Miguel Najdorf ein viel zu guter und faszinierender Spieler um ein ähnliches Schicksal wie Winawer oder Kieseritzky zu teilen und nur noch als Namenspate bekannt zu sein. In Polen geboren floh er vor den Nazis nach Argentinien für das er bis zum Ende seines Lebens spielte. Zeitlebens war er ein begeisterter Angriffsspieler. In seinen Partien hat er uns unzählige Opfer und Kombinationen hinterlassen. Die sogenannte "polnische Unsterbliche" zwischen ihm und Glücksberg zeigt das Opfer aller 4 Leichtfiguren.
In unserem Beispiel wird etwas weniger geopfert, doch auch hier beeindrucken Umsicht und Konsequenz mit der Najdorf seinen Angriff führt.































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Doch war Miguel Najdorf ein viel zu guter und faszinierender Spieler um ein ähnliches Schicksal wie Winawer oder Kieseritzky zu teilen und nur noch als Namenspate bekannt zu sein. In Polen geboren floh er vor den Nazis nach Argentinien für das er bis zum Ende seines Lebens spielte. Zeitlebens war er ein begeisterter Angriffsspieler. In seinen Partien hat er uns unzählige Opfer und Kombinationen hinterlassen. Die sogenannte "polnische Unsterbliche" zwischen ihm und Glücksberg zeigt das Opfer aller 4 Leichtfiguren.
In unserem Beispiel wird etwas weniger geopfert, doch auch hier beeindrucken Umsicht und Konsequenz mit der Najdorf seinen Angriff führt.
Miguel Najdorf Mikhail Botvinnik Groningen | Groningen NED | 19 | 1946.09.07 | E35 | 1:0
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. d4 e6 2. c4 Sf6 3. Sc3 Lb4 4. Dc2 ein vielseitiger Zug, der das Feld e4 kontrolliert, den Bauernvorstoß vorbereitet und unter Umständen nach Lxc3+ ein Zurücknehmen mit der Dame gestattet d5 5. xd5 xd5 6. a3 Najdorf möchte den Läufer da nicht überwintern lassen. Der Nachteil davon ist aber das die weißen Felder a4,c4 und b3 allesamt schwach werden. Lxc3+ 7. xc3 c5 Das Zentrum wird angeknabbert. Der Druck auf das Zentrum erschwert den von Weiß in dieser Eröffnung immer angestrebten Vorstoß mit e4. 8. Sf3 später wurde hier versucht mit f3 den e4-Vorstoß zu unterstützen. e3 dagegen sieht etwas zu passiv aus und bestätigt sozusagen den schwarzen Plan Da5 der Beginn des schwarzen Gegenspiels am Damenflügel. Kurzfristig fesselt die Dame den Bauern auf c3, sodaß Weiß nach cxd4 mit dem Springer nehmen müsste. Botwinnik hätte dann auf c3 einen schönen Angriffspunkt. Zusätzlich unterstützt die Dame hier aber auch einen möglichen Vorstoß der Bauern 9. Sd2 einer von mehreren Vielzweckzügen in dieser Partie. Aktiv unterstützt der Springer von hier e4 und defensiv erlaubt er die Vertreibung der gegnerischen Königin Ld7 In dieser Partiephase spielt Botwinnik durchaus aggressiv. Es droht La4 und die weiße Dame müsste sich zwischen der Unterstützung von e4 und der Deckung von c3 entscheiden 10. Sb3 Da4 Najdorf hat diesselbe Frage zu beantworten wie im Kommentar zu 9...Ld7. Da aber c4 mit Figurengewinn droht und daneben noch der Sb3 angegriffen ist ist seine Antwort erzwungen 11. Db2 Jetzt, wo der Springer entfesselt ist droht stark Sxc5 Sa6 Gegenüber 11..b6 hat dieser Zug den Vorteil sich nach einem möglichen dxc5 sofort mit Tc8 an die Eroberung des Bauern machen zu können. Die Nachteile zeigen sich wenn Weiß auf das direkte Schlagen verzichtet. 12. e3 die einfache Drohung ist 13.Lxa6 bxa6 14. Sxc5. Botwinnik bleibt aber nichts anderes als die Diagonale zu schliesen und damit allerdings auch den Druck auf das Zentrum zu entfernen c4 13. Sd2 O-O 14. Le2 Schwarz hat einen Vorsprung in der Entwicklung. Die exponierte Stellung der gegnerischen Dame erlaubt es Weiß allerdings seinen Rückstand mit Tempogewinnen aufzuholen b5 danach sieht die Dame etwas eingezwängt aus 15. Ld1 Da5 16. Lc2 mit einer kleinen Umgruppierung hat Najdorf seinen weißfeldrigen Läufer auf seine ideale Diagonale gebracht Tfe8 17. O-O Tab8 den schwarzen Plan erklärt Botwinnik hier eindeutig genug. Früher oder später soll b5 durchgesetzt werden 18. Sf3 Als Stratege muß man im Schach auch wissen wann es Zeit ist seine Pläne anzupassen. Zu e4 wird es so schnell wohl nicht kommen. Auf der anderen Seite hat Schwarz seine Kräfte durch seine letzten Züge weitgehend aus dem Zentrum und vom Königsflügel entfernt. Es ist also die Zeit für eine Umgruppierung gekommen. Dc7 Weiß drohte mit Se5 den Läufer anzugreifen. Rückzüge waren nicht möglich, da dann auf c6 eine häßliche Gabel drohte. Also zieht Schwarz seine Königin,deren Arbeit am Damenflügel ohnehin verrichtet war, zurück. 19. Se5 Le6 20. f3 Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Weiß kehrt zum Plan mit dem Durchbruch e4 zurück. Sc5 21. Ld2 dxc5 ist nicht gut, da der Bauer ja zur Deckung vom Se5 gebraucht wird. Nach guten 20 Zügen ist Weiß endlich fertig entwickelt Sa4 22. Db1 Tb6 die angedachte Fortsetzung findet der Leser vermutlich auch selbst. a5, Verdopplung der Türme und schlieslich b4 kommen darin vor. Zu diesem Zeitpunkt, als sich die gegnerischen Kräfte zum Angriff sammeln entscheidet sich Najdorf die Verteidigung mit minimalem Aufwand zu führen und stattdessen einen starken Gegenangriff aufzubauen 23. De1 Sd7 24. Dh4 Nach 23...Sd7 ist der schöne Springer auf e5 zweimal angegriffen. Statt positionelle Konzessionen zu machen um seine Position kurzfristig zu halten, schafft Weiß erstmal stärkere Drohungen. Sf8 eine von mehreren Möglichkeiten, deren Nachteil ist, dass sie den Druck auf den Se5 wieder beseitigt. Andere Möglichkeiten währen z.B. 25. e4 der Weiße hat die erste große Phase seines Plans verwirklicht. Nun muß er beweisen, dass der entstehende Angriff diese Mühe wert war f6? Verständlicherweise will Botwinnik den lästigen Springer loswerden. Sg6 will er erst spielen wenn er damit den Wegzug der Dame erzwingen kann. Direkt Sg6 könnte mit Sxg6 beantwortet werden. Nachteil des Zuges ist es mit f6 einen weiteren Angriffspunkt angeboten zu haben. 26. Sg4 Sg6 27. Dh5 greift d5 ein zweites Mal an. Gleichzeitig wird auch der Sg6 angegriffen, dem z.B. nach 28. e5 noch mehr Unheil drohen würde Df7 deckt beide Drohungen 28. Tae1 droht die geschwächte Grundreihe auszunutzen und die Tatsache, dass die schwarze Dame sowohl mit der Deckung von d5 als auch, nach der Öffnung der e-Linie mit exd5, der Deckung des Te8 beschäftigt wäre Tbb8 29. Se3 d5 wird ein drittes Mal angegriffen Se7 30. Dh4 f5 Botwinnik möchte den Königsflügel natürlich gerne abschliesen. Erstaunlich wie schnell sein Gegner diese Festung in Trümmer schiest 31. g4 f4? Möglicherweise bereits der entscheidende Fehler, aber es ist schwer gute Fortsetzungen zu finden 32. xd5 bei der großen Anzahl von Figuren die hier im Schußfeld der vorgehenden Bauern sind muß genau gerechnet werden. Allerdings droht nach exd5 zusätzlich wieder der Einschlag auf h7 Sg6 33. xe6 die angegriffene Dame wird nicht weggezogen, sondern Najdorf greift, unter Figurengewinn, seinerseits die schwarze Königin an Txe6 34. Lxg6 xg6 dieser häßliche Zug ist wahrscheinlich erzwungen. Nach Txg6 oder Dxg6 erscheint jeweils der weiße Springer auf f5. Neben all seinen anderen Problemen muß Botwinnik ab jetzt auch noch mit einem Freibauern auf der d-Linie rechnen 35. Sg2 Tbe8 36. Txe6 Txe6 37. Sxf4 Tf6 die schwarzen Deiche haben viele Löcher und sosehr der russische Großmeister sich auch Mühe gibt sie sind nicht mehr alle zustopfen 38. Dg5 Sxc3 Gibt den Springer auf c3 um den auf f4 zu erobern. Am Ausgang des Spiels ändern diese Manöver nichts mehr. Wahrscheinlich musste Botwinnik sich auf die Aufgabe erst innerlich vorbereiten 39. Lxc3 Txf4 40. Kg2
Vabanque - 03. Nov '16
Ich muss diese Partie wohl schon vorher einmal gesehen haben, doch war sie mir nicht mehr erinnerlich.
Eine Partie, wo man sich hinterher fragt, warum Weiß eigentlich gewonnen hat bzw. was Schwarz falsch gemacht hat; er macht nur plausible Züge, und dennoch findet er sich plötzlich in einer Stellung wieder, wo er vergeblich nach Rettung sucht! Mir geht es zwar in fast jeder Partie ebenso, aber ich bin ja auch kein Botwinnik ;)
Jedenfalls eine große Leistung Najdorfs, den baldigen Weltmeister und sehr vermutlich zum Zeitpunkt der Partie bereits stärksten Spieler der Welt auf diese Weise geschlagen zu haben, auch wenn die Partie wenig fürs Auge bietet.
Gegen Schwächere pflegte Najdorf ja einen opferreichen Angriffsstil, aber seine Partien gegen Kaliber wie Botwinnik und Reshevsky sind immer recht nüchtern gewesen. Das ist kein Wunder, ein Botwinnik lässt sich nicht im Hurrastil nehmen; ich kann mich eigentlich an keine einzige Partie erinnern, wo Botwinnik 'glänzend' verloren hat. Immer wenn er verliert, versteht man hinterher nicht richtig, 'wie es passieren konnte', und das ist hier auch so.
Eine Partie, wo man sich hinterher fragt, warum Weiß eigentlich gewonnen hat bzw. was Schwarz falsch gemacht hat; er macht nur plausible Züge, und dennoch findet er sich plötzlich in einer Stellung wieder, wo er vergeblich nach Rettung sucht! Mir geht es zwar in fast jeder Partie ebenso, aber ich bin ja auch kein Botwinnik ;)
Jedenfalls eine große Leistung Najdorfs, den baldigen Weltmeister und sehr vermutlich zum Zeitpunkt der Partie bereits stärksten Spieler der Welt auf diese Weise geschlagen zu haben, auch wenn die Partie wenig fürs Auge bietet.
Gegen Schwächere pflegte Najdorf ja einen opferreichen Angriffsstil, aber seine Partien gegen Kaliber wie Botwinnik und Reshevsky sind immer recht nüchtern gewesen. Das ist kein Wunder, ein Botwinnik lässt sich nicht im Hurrastil nehmen; ich kann mich eigentlich an keine einzige Partie erinnern, wo Botwinnik 'glänzend' verloren hat. Immer wenn er verliert, versteht man hinterher nicht richtig, 'wie es passieren konnte', und das ist hier auch so.
Colorado77 - 03. Nov '16
Schwarz hat ziemlich passiv gespielt im Mittelspiel, schaut man sich die Eröffnung an und die schlechte Rolle des Lc1 kann man das gar nicht glauben.
Ohne es jetzt gecheckt zu haben, verpasste Botwinnik ein sehr schönes Qualleopfer.
Entweder im 18.Zug ....Se4 19.Se5 Txe5!? 20.dxe5 Sxc3 mit der Absicht Sa4.
Oder nach 18....Dc7 19.Se5 Txe5! 20.dxe5 Dxe5 21.f3 (wegen xe4) Sc5 wieder Idee Sa4 oder a5. Zudem kommt der Abtausch Lf5 in Frage, wenn dieser passiert, dann kann Weiss fast einpacken, mit einem Springer auf d3.
Check das mal bitte, das wäre meine erste Option, wo man für Schwarz was verstärken kann.
Ohne es jetzt gecheckt zu haben, verpasste Botwinnik ein sehr schönes Qualleopfer.
Entweder im 18.Zug ....Se4 19.Se5 Txe5!? 20.dxe5 Sxc3 mit der Absicht Sa4.
Oder nach 18....Dc7 19.Se5 Txe5! 20.dxe5 Dxe5 21.f3 (wegen xe4) Sc5 wieder Idee Sa4 oder a5. Zudem kommt der Abtausch Lf5 in Frage, wenn dieser passiert, dann kann Weiss fast einpacken, mit einem Springer auf d3.
Check das mal bitte, das wäre meine erste Option, wo man für Schwarz was verstärken kann.
Kellerdrache - 04. Nov '16
Wann genau möchtest du denn Lf5 spielen ? Das wäre bei der genauen Überprüfung ein nicht unwichtiges Detail. Das Qualitätsopfer nach 18...Se4 sieht zumindest interessant aus. Nach 20...Sxc3 und einem möglichen Ld2 wurde mir persönlich das Ganze etwas unübersichtlich. Fritz 13 gefällt die entstehende Stellung für Schwarz.
Wenn ich wüsste wie das technisch hier geht würde ich ja die Stellung mit ein paar Computeranalysen bringen, aber das übersteigt meine PC-Fähigkeiten.
Wenn ich wüsste wie das technisch hier geht würde ich ja die Stellung mit ein paar Computeranalysen bringen, aber das übersteigt meine PC-Fähigkeiten.
Colorado77 - 04. Nov '16
Nimm mal die Stellung mit dem Qualleopfer nach 18...Dc7 19.Se5 Txe5! 20.dxe5 Dxe5 21.f3 Sc5.
Hier droht nun wirklich einerseits a5 (xb4 für die Db2 ist weg) und danach Sa4. Nimmt Weiss dort, klafft auf xb3 ein Loch für den Tb8. Nicht spielbar.
Andererseits droht positionell mittelfristig der Abtausch Lf5. Nimmt Weiss diesen an, dann ist xd3 für den Springer zugänglich. Das ist positionell eine Katastrophe.
Sprich, in meinen Augen hat Schwarz vollen Ausgleich - und ich hätte lieber Schwarz sogar - nach 19...Txe5.
Hier droht nun wirklich einerseits a5 (xb4 für die Db2 ist weg) und danach Sa4. Nimmt Weiss dort, klafft auf xb3 ein Loch für den Tb8. Nicht spielbar.
Andererseits droht positionell mittelfristig der Abtausch Lf5. Nimmt Weiss diesen an, dann ist xd3 für den Springer zugänglich. Das ist positionell eine Katastrophe.
Sprich, in meinen Augen hat Schwarz vollen Ausgleich - und ich hätte lieber Schwarz sogar - nach 19...Txe5.