Kommentierte Spiele

Glanzpartien unbekannter Spieler (III)

Vabanque - 11. Mär '14
Miguel Farre Mallofre war spanischer Vizemeister im
Jahre 1957, und zwei Jahre später bekam er den IM-
Titel. Weitere 2 Jahre später gab er anscheinend Schach
auf, wegen 'geschäftlicher Verplichtungen', wie es
heißt. Näheres war über ihn nicht in Erfahrung zu
bringen.

Die vorliegende Partie weist ihn jedenfalls als kreativen
Angriffsspieler und schlagfertigen Taktiker aus.
Ich meine, dass sie es wert ist, der Vergessenheit
entrissen zu werden.

Miguel Farre Mallofre Arinbjorn Gudmundsson 13th olm qual. group 2 | Munich | 7 | 1958.10.07 | 1:0
8
7
6
5
4
3
2
a
1
b
c
d
e
f
g
h
1. e4 c5 2. Sf3 d6 3. d4 xd4 4. Sxd4 Sf6 5. Sc3 g6 6. Le3 Lg7 7. f3 Sc6 8. Dd2 a6 9. O-O-O Ld7 10. g4 Tc8 11. Le2 O-O 12. h4 Wie meist in der sizilianischen Drachenvariante, wird auch hier das Spiel schnell sehr scharf. Beide Partien gegen kompromisslos auf den gegnerischen König los. Sxd4 13. Lxd4 Da5 14. Kb1 Der übliche und meist auch nötige Sicherungszug nach der langen Rochade. Es droht in manchen Varianten dann auch die typische Wendung Sd5!, weil danach die schwarze Dame hinge und nicht mehr mit Schach auf d2 nehmen könnte, so dass Weiß den Zwischenzug Sxe7+ hätte. e5 15. Le3 Le6 16. a3 Auf 16. Dxd6 käme natürlich das typische Qualitätsopfer Txc3! nebst Dxa2+ und Tc8, und die weiße Königsstellung wäre arg zerrupft. Daher verhindert Weiß von vornherein diese Möglichkeit. Tfd8 17. Lg5 Td7 Schwarz hebt die Fesselung auf und bereitet zugleich die Turmverdopplung auf der c-Linie vor (um dann wieder auf c3 opfern zu können). Aber sein Plan ist zu langsam, wie sich gleich zeigt. Am besten scheint das energische 17... h6!?, weil nach 18. Lxh6 Lxh6 19. Dxh6 wiederum das Qualitätsopfer Txc3! mit Zerstörung der weißen Rochadestellung möglich wäre. 18. h5 Tdc7 19. h6! Sehr überraschenderweise öffnet Weiß gar nicht die h-Linie (worauf übrigens auch Txc3 käme, aber mit größerem Effekt als in der Partie). Jetzt würde 19... Lh8 sofort verlieren wegen 20. Lxf6 Lxf6 (Txc3 kommt jetzt zu spät wegen 21. Lxh8 Kxh8 22. Dg5!) 21. Sd5!, und Weiß gewinnt ähnlich der oben beim 13. Zug bereits angedeuteten Wendung eine Figur, weil die schwarze Dame nicht zur Deckung des Läufers f6 nach d8 zurückkehren kann (und auf Dxd2 der Zwischenzug Sxf6+ käme, wonach der schwarze König den weißen Springer nicht angreifen könnte). Txc3 Also bleibt keine Wahl. Die Lage spitzt sich mehr und mehr zu. 20. xg7 T8c6 Der Turm soll auf b6 in den Gegenangriff eingeschaltet werden. 21. Lxf6 Kann sich Weiß diesen Figurengewinn leisten, oder ist es ein entscheidender Tempoverlust? Tb6 Nun sieht es aber doch ganz extrem gefährlich für Weiß aus, denn Schwarz droht Txb2+ (Kxb2 Dxa3+ nebst La2+). Wie soll Weiß dem begegnen? 22. Lb5!! Ein fantastischer Sperrzug, der die Koordination der schwarzen Figuren entscheidend stört. Auf Dxb5 oder axb5 wäre jetzt Dxc3 möglich. Also: Txb5 23. Dxd6 Nun ist a3 von der weißen Dame gedeckt, so dass Txb2+ nichts mehr bringt. Aber zugleich droht Matt auf f8! Schwarz kann also nur seine Grundreihe sichern. Tc8 24. Df8+!! Sehr hübsch. Aber ja nicht 24. Txh7?? (mit der Idee Kxh7 25. Th1+ nebst Matt auf h8), denn dann käme Txb2+! (jetzt geht's plötzlich wieder, weil der Turm das Feld c3 frei gemacht hat) 25. Kxb2 (oder 25. Ka1 Ta2+ 26. Kb1 Ta1+! 27. Kxa1 Dc3+) Dc3+, und Schwarz wäre derjenige, der matt setzt. Gefährlich bis zum Schluss! Txf8 25. gf8=Q+ Kxf8 26. Txh7 Und Matt auf h8 ist - dank freundlicher fluchtfeldabschneidender Unterstützung von Lf6 und Td1 - nicht mehr zu verhindern. Deshalb gab Schwarz auf.
PGN anzeigen

[Event "13th olm qual. group 2"]
[Site "Munich"]
[Date

"1958.10.07"]
[EventDate "1958.09.30"]
[Round "7"]
[Result

"1-0"]
[White "Miguel Farre Mallofre"]
[Black "Arinbjorn

Gudmundsson"]


1. e4 c5 2. Nf3 d6 3. d4 cxd4 4. Nxd4

Nf6 5. Nc3 g6 6. Be3 Bg7 7. f3 Nc6 8. Qd2
a6 9. O-O-O Bd7 10. g4 Rc8 11. Be2 O-O 12. h4 {Wie

meist in der sizilianischen Drachenvariante, wird auch

hier das Spiel schnell sehr scharf. Beide Partien gegen

kompromisslos auf den gegnerischen König los.} Nxd4 13.

Bxd4 Qa5 14. Kb1 {Der übliche und meist auch nötige

Sicherungszug nach der langen Rochade. Es droht in

manchen Varianten dann auch die typische Wendung Sd5!,

weil danach die schwarze Dame hinge und nicht mehr mit

Schach auf d2 nehmen könnte, so dass Weiß den

Zwischenzug Sxe7+ hätte.} e5 15.
Be3 Be6 16. a3 {Auf 16. Dxd6 käme natürlich das

typische Qualitätsopfer Txc3! nebst Dxa2+ und Tc8, und

die weiße Königsstellung wäre arg zerrupft. Daher

verhindert Weiß von vornherein diese Möglichkeit.} Rfd8

17. Bg5 Rd7 {Schwarz hebt die Fesselung auf und

bereitet zugleich die Turmverdopplung auf der c-Linie

vor (um dann wieder auf c3 opfern zu können). Aber sein Plan ist zu langsam, wie sich gleich

zeigt. Am besten scheint das energische 17... h6!?,

weil nach 18. Lxh6 Lxh6 19. Dxh6 wiederum das

Qualitätsopfer Txc3! mit Zerstörung der weißen

Rochadestellung möglich wäre.} 18. h5 Rdc7 19. h6!

{Sehr überraschenderweise öffnet Weiß gar nicht die h-Linie

(worauf übrigens auch Txc3 käme, aber mit größerem

Effekt als in der Partie). Jetzt würde 19... Lh8 sofort

verlieren wegen 20. Lxf6 Lxf6 (Txc3 kommt jetzt zu spät

wegen 21. Lxh8 Kxh8 22. Dg5!) 21. Sd5!, und Weiß

gewinnt ähnlich der oben beim 13. Zug bereits

angedeuteten Wendung eine Figur, weil die schwarze Dame

nicht zur Deckung des Läufers f6 nach d8 zurückkehren

kann (und auf Dxd2 der Zwischenzug Sxf6+ käme, wonach der schwarze König den weißen Springer nicht angreifen könnte).} Rxc3 {Also bleibt keine Wahl. Die Lage spitzt sich mehr und mehr zu.} 20. hxg7 R8c6

{Der Turm soll auf b6 in den Gegenangriff

eingeschaltet werden.} 21. Bxf6 {Kann sich Weiß diesen

Figurengewinn leisten, oder ist es ein entscheidender

Tempoverlust?}
Rb6 {Nun sieht es aber doch ganz extrem gefährlich für

Weiß aus, denn Schwarz droht Txb2+ (Kxb2 Dxa3+ nebst

La2+). Wie soll Weiß dem begegnen?} 22. Bb5!! {Ein

fantastischer Sperrzug, der die Koordination der

schwarzen Figuren entscheidend stört. Auf Dxb5 oder

axb5 wäre jetzt Dxc3 möglich. Also:} Rxb5 23. Qxd6 {Nun

ist a3 von der weißen Dame gedeckt, so dass Txb2+

nichts mehr bringt. Aber zugleich droht Matt auf f8!

Schwarz kann also nur seine Grundreihe sichern.} Rc8

24. Qf8+!! {Sehr hübsch. Aber ja nicht 24. Txh7?? (mit

der Idee Kxh7 25. Th1+ nebst Matt auf h8), denn dann

käme Txb2+! (jetzt geht's plötzlich wieder, weil der

Turm das Feld c3 frei gemacht hat) 25. Kxb2 (oder 25.

Ka1 Ta2+ 26. Kb1 Ta1+! 27. Kxa1 Dc3+) Dc3+, und Schwarz

wäre derjenige, der matt setzt. Gefährlich bis zum

Schluss!} Rxf8 25. gxf8=Q+ Kxf8 26. Rxh7 {Und Matt auf

h8 ist - dank freundlicher fluchtfeldabschneidender

Unterstützung von Lf6 und Td1 - nicht mehr zu

verhindern. Deshalb gab Schwarz auf.} 1-0
Kellerdrache - 12. Mär '14
Sehr schön ! Wie ein Rennen bei der Olympiade. Zur Abwechslung war der Unterlegene mal nicht hilfloses Opfer sondern kämpfte munter mit
cutter - 12. Mär '14
Wieder sehr anschaulich kommentiert und ein toller 22. Zug, den weiß ja schon ein paar Züge vorher einkalkuliert haben musste...

Eine Frage: drohte nicht Tb2: Kb2: Da3: und dann Da2+ und Da1 matt?
La2+ führt eigentlich zu nichts, oder?

Grüße cutter
Vabanque - 12. Mär '14
Du meinst nach dem 21. Zug von Schwarz?

Ja, bei genauer Betrachtung hast du wohl Recht :)

Ich stand da irgendwie unter dem Eindruck, dass auf einen Damenzug (mit dem Weiß das Feld d2 frei macht) Schwarz so ziehen müsste, dass er den weißen König nicht über d2 entkommen lassen dürfte. Aber nach La2+ ginge es nicht weiter, das stimmt. Schwarz müsste ja wieder den Läufer abziehen.
Aber wenn Weiß die Dame zieht, dann geht das ja nur so, dass er die Deckung von c2 im Stich lässt (weil der Le2 im Weg steht), und dann gewinnt Schwarz mit Txb2+ Kxb2 Da3+ Kb1 Da2+ nebst Dxc2# (statt Da1+, worauf dann Kd2 folgen könnte).
Vabanque - 12. Mär '14
Ja, das gefällt mir auch an dieser Partie. Auch der Verlierer hat ideenreich gespielt und jedenfalls keinen offensichtlichen Fehler begangen. Sein Angriff war nur um einen einzigen Zug langsamer als der des Weißen, aber das reicht bekanntlich in so scharfen Stellungen, wie sie aus der Drachenvariante entstehen.
elutz1 - 12. Mär '14
Hallo Schachfreund Vabanque,
mein nachfolgendes kurzes Statement wollte ich Dir schon einmal länger mitteilen.
"Bis vor zwei - drei Wochen habe ich immer beim Anmelden hier erst meine Züge in den offenen Partien ausgeführt. Nunmehr schaue ich beim Anmelden zuerst ob Du wieder solch absolut inspierende Partien ins Forum eingestellt hast!!"
Dass will bei mir schon etwas bedeuten, da ich hier sonst fast ausschliesslich Schach spiele und mich seltener an Forendiskussionen beteilige.
Sicherlich habe ich des öfteren eine etwas skurile Spielphilosophie, konnte aber für mich schon einige sehr interessante Spielideen mitnehmen.

Vielen Dank und ich freue mich schon auf Deine nächsten Forenbeiträge.
Gruß
Elutz1

Vielen
Vabanque - 12. Mär '14
Oh, das ist ja wirklich ein ganz tolles Kompliment!!

Aber ein Widerspruch ist es sicher nicht, denn du bist wegen Schach hier, genau wie ich, und wenn du in das Forum 'Kommentierte Spiele' schaust, ist es ja nicht das gleiche wie eine Beteiligung an den fachfremden Themen im Hauptforum :)