Kommentierte Spiele
Spektakuläre Schwarzsiege (VII): Timman - Karpov 1979
Vabanque - 04. Jun '17
Dies ist eine der Partien, die ich zwar schon zu den Zeiten des alten Viewers (der keine Varianten darstellen konnte) ausgewählt hatte, aber damals nicht bringen konnte, da hier die Varianten zum 16. Zug von Weiß entscheidend für das Verständnis der mit dem 15. Zug von Schwarz eingeleiteten Kombination sind.
Zur Partie kann man eigentlich nur sagen, dass es sich dabei um einen echten Klassiker handelt, der insbesondere auch zeigt, dass Karpov nicht nur ein geduldiger Positionsspieler war (und noch ist), sondern zumindest in seiner besten Zeit sich auch in taktischen Gewässern wie ein Fisch im Wasser fühlte. Im Unterschied zu Tal, Kasparov oder auch Spassky spielte Karpov zwar nie von vornherein auf Angriff; wenn jedoch die Stellung einen Angriff erforderte, dann führte Karpov ihn auch aus. Hier genügen zwei kleine Ungenauigkeiten Timmans (mit Weiß) in der Eröffnung, um eine Stellung entstehen zu lassen, in der Karpov als Schwarzer Angriffschancen erspäht, die er sofort mit äußerster Präzision und Brillanz wahrnimmt. Wären mir die Namen der Spieler nicht bekannt gewesen, ich hätte auf Aljechin als Schwarzspieler getippt!































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Zur Partie kann man eigentlich nur sagen, dass es sich dabei um einen echten Klassiker handelt, der insbesondere auch zeigt, dass Karpov nicht nur ein geduldiger Positionsspieler war (und noch ist), sondern zumindest in seiner besten Zeit sich auch in taktischen Gewässern wie ein Fisch im Wasser fühlte. Im Unterschied zu Tal, Kasparov oder auch Spassky spielte Karpov zwar nie von vornherein auf Angriff; wenn jedoch die Stellung einen Angriff erforderte, dann führte Karpov ihn auch aus. Hier genügen zwei kleine Ungenauigkeiten Timmans (mit Weiß) in der Eröffnung, um eine Stellung entstehen zu lassen, in der Karpov als Schwarzer Angriffschancen erspäht, die er sofort mit äußerster Präzision und Brillanz wahrnimmt. Wären mir die Namen der Spieler nicht bekannt gewesen, ich hätte auf Aljechin als Schwarzspieler getippt!
Jan Timman Anatoly Karpov Montreal | Montreal CAN | 11 | 1979.04.25 | A28 | 0:1
8








7








6
5
4
3
2








a
1

b

c

d

e

f

g

h

1. c4 Sf6 2. Sc3 e5 3. Sf3 Sc6 4. e3 Le7 5. d4 xd4 6. Sxd4 O-O 7. Sxc6?! Der Tausch verstärkt das schwarze Zentrum, doch wurde dieser Zug vor dieser Partie viel gespielt und die ganze Variante sogar für günstig für Weiß gehalten. Nach der vorliegenden Partie verschwand der Zug komplett aus der GM-Praxis! xc6 8. Le2 d5 9. O-O Ld6 Zieht eine bereits entwickelte Figur ein zweites Mal, aber der Läufer begibt sich nun in Stellung gegen den weißen Königsflügel. Weiß kann auch keinen Bauern auf d5 gewinnen, da er nach Bauerntausch und Springertausch letztlich durch den Abzug Lh2+ seine Dame auf d5 einbüßen würde. Eine Wendung, die so oft vorkommt, dass sie jedem Schachspieler geläufig sein sollte! 10. b3 De7 Die Dame beabsichtigt gelegentlich nach e5 zu gehen, wo sie Matt auf h2 droht. Deswegen kann Weiß wieder nicht auf d5 schlagen. 11. Lb2 xc4! Karpovs Neuerung. Vorher spielte man Td8 (mit erneuter indirekter Deckung von d5), was zu einem leichten Vorteil für Weiß führte. Der Textzug scheint aus strategischer Sicht doppelt unlogisch, denn erstens schlägt der Bauer aus dem Zentrum heraus, und zweitens verschafft sich damit Schwarz selbst einen isolierten Doppelbauer auf der c-Line. Aber Karpov beweist, dass die Bauernstruktur in dieser Stellung komplett irrelevant ist; hier geht es um Figurenspiel und Initiative! 12. xc4?!
12. Lxc4 war viel besser. Vielleicht fürchtete Timman das Läuferopfer auf h2, das hier jedoch nicht ausgereicht hätte. Vielleicht dachte er aber auch, dass Schlagen mit dem Bauern wäre wegen der Kontrolle von d5 besser. Nach 12. Lxc4 hätte Schwarz z.B. mit Sg4 13. g3 Sxh2 Züge wie Se5 halten den Kampf offen 14. Kxh2 Dh4+ 15. Kg2 Dh3+ 16. Kg1 Lxg3 ein Remis durch Dauerschach erzwingen können, was Karpov zwar sicher nicht gemacht hätte, was aber zeigt, dass Schwarz in dieser Stellung mindestens Ausgleich hat.
Tb8! 13. Dc1 Sg4! Karpov spielt immer den energischsten Zug. 14. g3 Te8! Wieder ein starker Zug. Das unmittelbare Springeropfer auf h2 nebst Dh4+ und Lxg3 führt nur zum Remis durch Dauerschach. Nun aber könnte der Turm über e6 und h6 entscheidend eingreifen. 15. Sd1? Verliert endgültig. Aber das verschiedentlich vorgeschlagene Lf3 hätte auf Dauer auch nicht mehr gehalten. Sxh2!! 16. c5 Hatte sich Timman auf diesen Zug verlassen? 16. Kxh2 verliert wegen Dh4+ 17. Kg1 Lxg3 18. xg3 Dxg3+ 19. Kh1 Te4! 20. Tf4 das einzige gegen die Drohung Th4# Lh3 wohl am einfachsten; die Mattdrohung auf g2 kann nun nur noch unter massiver Rückgabe von Material abgewehrt werden, ohne dass sich jedoch der schwarze Angriff dadurch abschwächen würde.
Sxf1! 17. xd6 Jetzt hängt die schwarze Dame. Sxg3! Schwarz hat aber auch noch die Gabel auf e2 zur Verfügung. 18. xg3 Dxd6 Schwarz hat Turm und 3 Bauern für 2 Leichtfiguren bekommen, was an und für sich schon ein leichter Materialvorteil ist (entspricht etwa 1 bis 1,5 Bauern). Schwerer wiegt allerdings der Umstand, dass der weiße König auch jetzt keine Ruhe finden wird und die weißen Figuren nicht zusammenarbeiten. Die Partie ist für Schwarz gewonnen. Jedoch ist die Schlussphase, in der Karpov Timmans König bis auf die a-Linie treibt, noch recht hübsch. 19. Kf2 Dh6 Nun ist der g-Bauer todgeweiht, und der weiße König findet keinen Platz, wo er sein müdes Haupt betten kann. 20. Ld4 Dh2+ 21. Ke1 Dxg3+ 22. Kd2 Dg2 23. Sb2 La6 24. Sd3 Lxd3! 25. Kxd3 Tbd8 26. Lf1 Auf etwa 26. Dc4 könnte das folgende hübsche Spiel entstehen: c5! 27. Dxc5 Td5 mit der Absicht c5, deswegen muss Weiß den c-Bauern entfernen 28. Dxc7 Txd4+! 29. Kxd4 Dxe2 30. Dc3 Td8+ 31. Ke4 Dg4+ 32. Ke5 f6# mit einem schönen Matt in der Brettmitte. In der Textfortsetzung wird der Ort der Hinrichtung ein anderer sein.
De4+ 27. Kc3 c5! 28. Lxc5 Dc6 29. Kb3 Tb8+ 30. Ka3 Te5 31. Lb4 Damit nicht sofort Ta5# möglich ist. Db6
Kellerdrache - 04. Jun '17
Das Karpov auch Taktik konnte hat er ja in seinen Wettkämpfen gegen Kasparov, wenn auch auf der Verteidigerseite, bewiesen. Wenn ausgerechnet er aber hier die Bedeutung der Figurenaktivität vor der Bauernstellung beweist hat es schon eine gewisse Ironie.
Timman hat sicherlich mit den zwei schwachen Zügen 12.bxc4 und 14.g3 Karpovs Angriff geholfen, doch auch bei den optimalen Zügen wäre ja bestenfalls für Weiß ein Remis möglich gewesen. Kein Wunder also, dass die Variante danach aus den Turniersälen verschwand.
Wie auch bei seinen positionellen Partien beeidruckt die Konsequenz und Präzision mit der Karpov seinen Angriff durchführt. Nirgendwo wird dem Gegner ein Schluploch gelassen. Gute Kommentierung, die auch die kritischen Momente klar heraushebt.
Timman hat sicherlich mit den zwei schwachen Zügen 12.bxc4 und 14.g3 Karpovs Angriff geholfen, doch auch bei den optimalen Zügen wäre ja bestenfalls für Weiß ein Remis möglich gewesen. Kein Wunder also, dass die Variante danach aus den Turniersälen verschwand.
Wie auch bei seinen positionellen Partien beeidruckt die Konsequenz und Präzision mit der Karpov seinen Angriff durchführt. Nirgendwo wird dem Gegner ein Schluploch gelassen. Gute Kommentierung, die auch die kritischen Momente klar heraushebt.
haribo02 - 05. Jun '17
Sehr beeindruckend wie Karpow hier Jan Timman auseinander nimmt!
Es fängt mit 9.... Ld6, für mich der beste Zug der Partie und der Angriff wird ungeachtet von Bauernstruktur konsequent bis zum Ende weitergeführt .(Fast untypisch für Karpow!)
Die Partie ist wie immer super kommentiert, sehr gut erklärt, dadurch leicht verständlich.
Nach dem ganzen "Müll" im Forum, macht das hier richtig Spaß!
Daumen hoch!
LG haribo02
Es fängt mit 9.... Ld6, für mich der beste Zug der Partie und der Angriff wird ungeachtet von Bauernstruktur konsequent bis zum Ende weitergeführt .(Fast untypisch für Karpow!)
Die Partie ist wie immer super kommentiert, sehr gut erklärt, dadurch leicht verständlich.
Nach dem ganzen "Müll" im Forum, macht das hier richtig Spaß!
Daumen hoch!
LG haribo02
Vabanque - 05. Jun '17
Danke, ich bemühe mich, keinen Müll zu schreiben ;)
Ja, die Partie ist untypisch Karpov, den ich normalerweise auch nicht besonders spannend finde, aber man findet interessanterweise ziemlich viele solche untypischen Partien von ihm.
Von den meisten als 'langweilig' verschrieenen Spieler, wie eben auch Kramnik, Leko, Petrosjan, Capablanca, gibt es überraschend viele scharfe Angriffspartien und auch sonstige komplizierte Gefechte.
Ja, die Partie ist untypisch Karpov, den ich normalerweise auch nicht besonders spannend finde, aber man findet interessanterweise ziemlich viele solche untypischen Partien von ihm.
Von den meisten als 'langweilig' verschrieenen Spieler, wie eben auch Kramnik, Leko, Petrosjan, Capablanca, gibt es überraschend viele scharfe Angriffspartien und auch sonstige komplizierte Gefechte.